Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
Vom Netzwerk:
seinem Leben.

Rom
    Donnerstag, 7. Dezember 1486
     
    Zerstreut strich Graf Giovanni Pico di Mirandola e di Concordia über die Rücken der Bücher, die der Buchdrucker Eucharius Silber alias Franck sorgfältig in Kisten verpackt hatte.
    Er nahm eines zur Hand und las, nach seinen Namen, voller Stolz den Titel:
    Johannes Pico Mi. Conclusiones Sive Thesis DCCCC
publice disputandae, sed non admissae
    Er begann in den Seiten zu blättern, die in gotischen Lettern bedruckt waren. Um die Lektüre zu erleichtern, waren die Schriftzeichen allerdings etwas weicher und abgerundeter ausgeführt, ähnlich der gefälligen Schrift der Amanuensischen Mönche, die bekannt für diese Kunstfertigkeit waren.
    »Eine wunderbare Arbeit, Eucharius. Ich glaube, wir können beide stolz darauf sein!«
    »Die äußere Form zählt nicht, um es mit den Worten Platons zu sagen, und in diesem Fall kann die Ausführung nur eine Fährte sein, die zu seinen Inhalten führt.«
    »Hast du es gelesen?«
    »Nein, hoher Herr, ich musste eine Entscheidung treffen – drucken oder lesen. Und ich wusste, dass Ihr es mehr schätzen würdet, wenn ich mich Ersterem widme. Nichtsdestotrotz werde ich es mit Eurer Erlaubnis tun, ich bin überaus gespannt.«
    »Ich danke dir«, antwortete Giovanni Pico, »und ich hoffe, dass du in der nächsten Auflage dein Alias aus deinem Nachnamen streichst, denn es wird dir nicht gerecht.«
    »Ach, mein Herr, das werde ich wagen, wenn Esel fliegen lernen und der Mond wärmer strahlt als die Sonne. Wie Ihr wisst, ist es eben dieses Alias, das meine Herkunft versteckt und mich ein wenig schützt, mein Schutzschild eben.«
    »Du weißt, dass ich an den Riten der Kirche teilnehme, Eucharius.«
    »So wie ich, hoher Herr«, beeilte sich der Buchdrucker zu versichern.
    »Ja, sicher, aber vor dem Gott der Christenheit habe ich weniger Verdienste«, antwortete Giovanni Pico mit einem leichten Lächeln.
    Eucharius sah ihn misstrauisch an.
    »Ja«, sagte Giovanni, »du hast vor dem Allmächtigen einen großen Vorteil mir gegenüber.«
    »Ich verstehe nicht, hoher Herr. Bitte erklärt Euch.«
    »Du bist von derselben Rasse wie sein Sohn, Eucharius. Und das erhebt dich vor dem Schöpfer.«
    »Oh, Herr, Ihr beliebt zu scherzen. Die Welt sieht mich als der, der ihn gekreuzigt hat, nicht als sein Bruder. Und mir bleibt nur, für diese Sünde, die mein Volk begangen hat, zu büßen, indem ich jeden Tag die heilige Messe höre, öffentlich beichte und großzügig spende.«
    »Ich verstehe dich«, antwortete Giovanni freundlich, »aber denke immer daran, dass Jesus Jude war. Er hat gelebt, studiert und gepredigt als Jude. Und als Jude ist er gestorben. Es war Saulus von Tarsus, der Paulus der Heiligen Schriften, der von Christus ein anderes Bildnis zeichnete. Und er hat es aus politischen Gründen getan, mein Freund.«
    »Verehrter Graf, ich bitte Euch, hört auf. Wie könnt Ihr Christ sein, wenn Ihr solche Dinge sagt?«
    »Ich bin Christ, weil das Wort Jesu wundersam war und immer noch ist.«
    »Ich verstehe Euch nicht, mein Graf, oder vielleicht will ich auch gar nicht verstehen.«
    »Eucharius, Eucharius, verschließe deine Ohren nicht vor dem Klang der Wahrheit. Du weißt bestens, dass Paulus römischer Bürger war und dass die Juden eine Gefahr für Rom bedeuteten – der gefährlichste Jude von allen war aber eben jener Jesus von Nazareth mit seiner Botschaft. Als römischer Verwalter war es Paulus’ Aufgabe, dem Judentum und seinem Volk ihren Heilsbringer wegzunehmen, und so geschah es auch. Wusstest du, dass Paulus von der jüdischen Gemeinschaft der Zauberei bezichtigt wurde und dass ausgerechnet die Römer ihn vor der Verfolgung erretteten? Wusstest du auch, dass Paulus die grausame Herrschaft des Kaisers Nero verteidigte, indem er die Regentschaft als von Gottes Gnaden definierte?«
    »Aber Paulus ist heilig und ein Märtyrer der Kirche!« erwiderte Eucharius überzeugt.
    »Von welcher Kirche, Eucharius? Der großen Unzüchtigen? Saulus von Tarsus ein Märtyrer? Wer sagt das? Sein Martyrium ist deshalb so geheimnisvoll, weil es nie existiert hat. Niemand weiß genau wo und wie, und vor allen Dingen, ob er je gemartert wurde. Wahrscheinlich verschwand er klammheimlich und tauchte als civis romanus in irgendeiner weit entfernten, abgelegenen Provinz des römischen Imperiums wieder auf, um sich einen schönen Lebensabend mit Trinkgelagen und seinen epileptischen Halluzinationen zu bereiten.«
    »Haltet ein, mein Graf, ich flehe Euch

Weitere Kostenlose Bücher