AAA - Das Manifest der Macht
mir kommen. Die Wohnung ist frei von Wanzen. Nehmen Sie doch bitte wieder Platz, ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt.“
John schüttelte den Kopf. „Nein, überhaupt nicht, Mr. Jurtschenko. Ich wundere mich seit einiger Zeit über gar nichts mehr. Mein Leben steht seit ein paar Tagen völlig auf dem Kopf, mein Auto wurde in die Luft gesprengt, meine Mitreisenden wurden beinahe entführt. Und wofür das Ganze? Etwa weil ich von diesem Karl Marx abstammen soll? Wenn sie mich fragen, wird das mit dem Stammbaum sowieso überbewertet.“
John hatte seit kurzem festgestellt, dass Sarkasmus für ihn das beste Hilfsmittel war, um seine aufsteigenden Aggressionen in den Griff zu bekommen.
Dimitri Jurtschenko schien Johns Bemerkung überhört zu haben. „Also, ich weiß zwar nicht, ob Ihnen das, was ich hier habe, gefallen wird oder ob sie das überhaupt für Ihre Suche gebrauchen können. Aber Gernot schätzt Sie sehr, und das war Grund genug für mich, Ihnen meine Hilfe anzubieten. Hier, schauen Sie sich das mal an!“
Er überreichte ihm einen zusammengebundenen Stapel von alten Zeitungen. John warf einen Blick darauf.
„Ich hatte zwar während meines Studiums zwei Jahre lang einen Russischkurs belegt“, meinte er bedauernd, „aber mit dieser Menge an Seiten bin ich doch überfordert. Können Sie mir vielleicht sagen, was ich darin finden kann?“
„Das wollte ich gerade“, lächelte Dimitri Jurtschenko. „Es handelt sich um Artikel über das Schaffen von Karl Marx und seinen immer noch vorhandenen Einfluss auf die heutige Zeit. Ja“, fügte er hinzu, als er Johns erstaunten Blick sah,„Sie werden sehen, dass Karl Marx auch heute noch eine große Rolle in Russland spielt, und ich kann mir lebhaft vorstellen, dass die Mischung aus altem Kommunismus mit dem allgegenwärtigen Staat gepaart mit dem neo-russischen Kapitalismus, der bei uns im Land Einzug gehalten hat, bei näherem Betrachten eine extreme Erfahrung für Sie darstellen muss.“
„Ehrlich gesagt habe ich mir darüber bisher noch keine großartigen Gedanken gemacht. Ich habe Geschäftspartner, die aus Ihrem Staat kommen und die weiß Gott mehr Geld haben, als so mancher bei uns in den USA. Aber das hat man uns als das Wunder der Perestroika verkauft, und wir haben das nicht weiter in Frage gestellt.“
„Mein lieber John“, Gernot Bresser nahm einen Schluck des angebotenen Whiskys, roch daran und nahm noch einen zweiten, bevor er seinem Freund half, die Situation ein wenig zu durchschauen. „Mein lieber John, trotz Perestroika sind hier im Lande noch immer die Kommunisten die wahren Helden, und alles Westliche ist böse. Die Oligarchen der Sowjetunion vermischen sich mit den Neureichen des neuen Kapitalismus, und Vater Staat kontrolliert alles.“
„Seit wann ist das so?“
„Seit geraumer Zeit. In den letzten zehn Jahren wurde der kapitalistische Einfluss immer größer. Das geht so weit, dass dieser westliche Einfluss sogar vor der Privatisierung von russischem Staatseigentum nicht Halt macht. Und bei einem Unternehmen, das Ihnen wohlbekannt sein dürfte, laufen alle wichtigen Fäden zusammen. “ Dimitri suchte in seinen Unterlagen offenbar nach einem ganz bestimmten Papier.
„Ich habe keine Ahnung, wovon sie sprechen, Mr. Jurtschenko.“
„Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen das nicht glaube, John. Sie selbst haben doch erst vor kurzem einen großen Deal zwischen einem amerikanischem und einem russischen Unternehmen abgeschlossen. Sie sollten am besten wissen, wovon ich spreche.“
„Der Deal, wie Sie ihn bezeichnen“, John holte tief Luft, „hat nichts Ehranrührendes an sich. Das war eine geschäftliche Abwicklung, wie sie bei unserem Unternehmen seit Jahren und Jahrzehnten gang und gäbe ist. Wir helfen Firmen, andere Firmen aufzukaufen, um diese entweder erfolgreich weiter zu betreiben, zu liquidieren oder zu integrieren. So wird das weltweit von vie
len Firmen oder Kanzleien gemacht. Wir als First Internationals
gehören eben zu den Erfolgreicheren auf diesem Gebiet.“
Dimitri Jurtschenko winkte ab. „Sie brauchen mir nicht zu erklären, wie das funktioniert. Ich sage Ihnen noch etwas. Das, was Sie, mein Lieber, eingefädelt haben, ist wirtschaftlich gesehen ein Rattenfurz, verzeihen Sie den Ausdruck. Aber ich kann es Ihnen nur so erklären. Wie gesagt, Ihre Firma berät unsere Regierung bei der Ausbeutung von Gütern, die niemals in die Hände von Privaten kommen sollten. Es entstehen ausgesprochen ungesunde
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