AAA - Das Manifest der Macht
schon einmal überprüft?“
„Ja, habe ich. Nachdem ich nichts darüber fand, habe ich sogar bei Google-Earth nachgeschaut. Aber da war nirgendwo ein Gebäude, da ist alles Grünlandschaft. Schaut aus wie ein Park. Wir sollten uns das mal näher ansehen.“
„Und was hoffen wir dort zu finden?“
„Fragen über Fragen, mein Lieber. Lass’ uns mal runtergehen und den Concierge fragen. Vielleicht weiß er Genaueres oder hat zumindest eine Idee, wohin wir uns am besten wenden können.“
Eine halbe Stunde später waren sie im Taxi unterwegs zu einer Behörde, wo nach Auskunft des Hotelangestellten uralte Dokumente und Zeitungsartikel gelagert wurden. Eine ehemalige Kollegin von ihm arbeitete dort seit geraumer Zeit als Büroleiterin. Er hatte sie sofort angerufen und ihr das Kommen seiner Hotelgäste angekündigt.
Hoffentlich finden wir irgendeinen winzigen Hinweis auf Johns Abstammung, dachte Samantha. Wenn nicht, mussten sie sich geschlagen geben. John wollte ohnehin nicht mehr weitersuchen. Ihm war es beinahe schon egal, und Samantha glaubte nicht, dass er in Moskau etwas über seine Herkunft erfahren würde. Sie mussten sich wohl damit abfinden, irgendjemandem gehörig auf den Leim gegangen zu sein. Ihr vorrangiges Ziel war mittlerweile, herauszubekommen, ob ihre vor laufender Kamera getätigten Behauptungen richtig waren und sie sich nicht völlig blamiert hatte. Und da war sie bisher kein bisschen weitergekommen. Im Gegenteil, jeder Schritt führte sie in eine andere Richtung. Allmählich befürchtete sie, dass sie gehörig an der Nase herumgeführt worden war. Worden war? Nein, irgendjemand zog immer noch die Fäden, und sie reagierte wie eine Marionette. Das konnte man am Beispiel von Johns Telefonat mit seinem Chef Frank van den Bergh eindeutig erkennen.
Sie war überzeugt, dass alle ihr zugespielten Informationen aus dem Gebäude von First Internationals gekommen waren. Ob vom Vater oder von der Tochter oder vielleicht von beiden, das konnte sie noch nicht beantworten. Und ob durch die Sache vielleicht das Ende ihrer Karriere drohte, daran wagte sie gar nicht zu denken.
Der Tipp des Concierge erwies sich als goldrichtig. Die Behörde entpuppte sich als wahres Eldorado für Suchende. Über zweihundert Jahre alte Papiere und Zeitungsartikel wurden hier feinsäuberlich katalogisiert; vieles war bereits digitalisiert und über Computer einsehbar.
„Mein ehemaliger Kollege hat mich schon über Ihr Kommen informiert. Sagen Sie mir nur, was Sie genau suchen. Ich werde versuchen, Ihnen so gut ich kann, zu helfen.“
„Vielen Dank! Wir können jede Hilfe bei unseren Recherchen gebrauchen.“ Samantha war freudig überrascht über das unerwartete Angebot. „Wir suchen einen Hinweis über das Leben oder das Ableben von Eleanor Marx. Sie war eine von Karl Marx’ Töchtern, sie hat in London gelebt, und sie hat 1898 Selbstmord begangen. Vielleicht finden sich weiterführende Hinweise in Ihren Unterlagen.“
„Das weiß ich natürlich nicht aus dem Kopf, aber lassen sie uns mal da hinübergehen. Die Regale dort enthalten die Aufzeichnungen der letzten zwanzig Jahre des Neunzehnten Jahrhunderts. Mal schauen, was wir finden können.“
Samantha und Ben folgten der Frau, die zielstrebig auf eines der Regale zusteuerte, auf eine Leiter stieg und wenig später mit einem dicken Folianten unter dem Arm wieder herabstieg.
„Das ging ja flott“, meinte sie, nachdem sie einige Seiten durchgeblättert hatte.„Schauen Sie, hier haben wir einenArtikel aus der Times vom 3. April 1898. Da wird erklärt, warum Eleanor Marx am 31. März 1898 Selbstmord begangen hat. Sie litt an schweren Depressionen. Häusliche Probleme aufgrund fehlender Zuneigung seitens ihres Ehemanns hätten sie gezwungen, so steht es hier, ihrem Leben durch die Einnahme von Blausäure ein Ende zu setzen. Trotzdem waren die Umstände ihres Todes sehr umstritten. Sie hatte zwar schon seit geraumer Zeit in Briefen ihre Selbstmordabsichten geäußert, Auslöser dürfte aber ein Brief gewesen sein, den sie kurz vor ihrem Tod erhalten hat. Darin hieß es, ihr Mann sei unter falschem Namen eine Zweitehe eingegangen. Das hat sie offenbar zutiefst verletzt, so sehr, dass sie sich umbrachte.“
Samantha kannte die Geschichte über den Tod von Eleanor Marx aus ihren eigenen Recherchen. Neues darüber war offenbar auch hier nicht zu finden. Aber sie wollte nicht so schnell aufgeben.
„Ist irgendwo in den Artikeln ein Hinweis auf Nachkommen von Eleanor
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