AAA - Das Manifest der Macht
nächsten Moment wieder. Konnte er Ben um diese Zeit noch anrufen? Ja, entschied er dann, und drückte noch einmal auf Wahlwiederholung.
Nachdem John eine gefühlte Ewigkeit nur das Freizeichen gehört hatte und er schon auflegen wollte, meldete sich endlich am anderen Ende Bens schlaftrunkene Stimme: „Du spinnst ja wohl, weißt du, wie spät es ist?“
„Ja, ich weiß es, und es tut mir leid, aber ich dachte, es macht dir vielleicht nichts aus.“
„Schon gut. Ich bin ja schon wach. Außerdem, in unseren alten Zeiten haben wir ganze Nächte durchgequatscht. Also, was gibt’s?“
„Das sollte ich dich fragen. Du hast mir den Zettel mit deiner Telefonnummer gegeben.“
„Ja, stimmt. Also, irgendwie habe ich während des Interviews schon den Braten gerochen. Allerdings wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, was für ein Prachtexemplar sich da im Ofen befindet. Dachte, du brauchst demnächst vielleicht ein wenig Unterstützung von deinem alten Studienfreund. Deswegen die James-Bond-Nummer mit dem Zettel. Und so ganz hat mich mein Gefühl ja wohl nicht getrogen.“
„Nein, hat es wirklich nicht. Deine kleine Kollegin hat mir da ein schönes Ei ins Nest gelegt. Der Ur-Urgroßvater von John Marks, dem großen Berater der Kapitalisten, soll Karl Marx, der große Arbeiterführer sein? Da lachen doch die Hühner!“
Ben schwieg eine Weile.
„Ich glaube, du schätzt Sam falsch ein“, sagte er dann, „sie hat ein unheimliches Gespür für eine gute Story. Und nicht nur das. Sie recherchiert absolut objektiv und professionell. Wenn sie von einer Sache nicht hundertprozentig überzeugt ist, lässt Sam sie lieber fallen oder verschiebt die Veröffentlichung solange, bis sie sich sicher ist.“
„Du meinst also, dass an der Ahnentafel was Wahres dran ist?“
„John, ich weiß es nicht. Sag’, können wir das vielleicht später besprechen? Ich habe morgen einen ziemlich harten Tag, und ein wenig Schlaf könnte ich durchaus gebrauchen. Also, wenn es nicht zu viel verlangt ist …“ Er gähnte laut und vernehmlich.
„Nein, Ben, bitte warte!“
John ließ sich nicht so leicht abwimmeln.
„Hat sie dich über mich ausgefragt? Das läge nahe, sie weiß doch, dass wir zusammen auf Harvard waren.“
„Das hatte sie nicht nötig. Glaub’ mir, mein Lieber, wenn Samantha Witterung aufgenommen hat, verfolgt sie die Spur wie ein Bluthund und holt die kleinsten Kleinigkeiten ans Tageslicht. Eher hätte sie mir etwas über dich erzählen können als umgekehrt.“
Er gähnte wieder.
„Und vielleicht kann sie sogar dir noch etwas über dich erzählen, das du noch nicht wusstest. Ach nein, halt, Moment.“ Er kicherte.„Hat sie ja schon.“
„Ben, bitte, werd’ nicht sarkastisch, ich weiß zurzeit nicht, was ich machen soll. Kannst du dir den peinlichen Moment heute im Büro überhaupt vorstellen? Seltsame Blicke von allen Seiten – ich kann dir sagen! Als wäre ich von einer Sekunde zur anderen vom großen, erfolgsverwöhnten Staranwalt zum verhassten Kommunistenschwein geworden! Nein, natürlich kannst du dir das nicht vorstellen. Ich mir ja auch nicht. Ich hab´ auch keinen blassen Schimmer, ob an der Geschichte was dran ist. Ich habe mich nie um meine Verwandtschaft gekümmert, besser gesagt, ich habe ja gar keine mehr.“
„Ich weiß, du hast deine Eltern früh verloren. Und sonst? Irgendwelche Tanten oder Onkel, die du fragen kannst?“
John überlegte kurz.
„Nicht, dass ich wüsste“, meinte er dann.
Ben ließ nicht locker.
„Schön! Was ist mit deinen Eltern? Haben die denn nie etwas gesagt? Irgendeine Andeutung?“
„Meine Güte, Ben, das ist alles so lange her. Meinst du, ich könnte mich noch an jede Einzelheit erinnern?“
„Und deine Pflegeeltern?“, bohrte Ben noch ein wenig nach.
„Die hatten ja noch drei eigene Kinder. Da bin ich nur mitgelaufen, weil sie Geld für mich erhielten. Wir haben uns nicht gerade im Guten getrennt, und auch damals haben die nie ein Wort über meine Eltern oder irgendwelche Verwandten verloren.“
Ben gähnte wieder.
„Na ja“, meinte er, „ist vielleicht ein bisschen zu viel verlangt. Aber noch mal: Können wir uns nicht auf morgen vertagen?“
„Ben, warte, kannst du nicht mit deiner Kollegin Sam reden und sie dazu bringen, die Sache zurückzunehmen?“
„John, hör zu, du kennst Sam wirklich nicht. Ich habe dir gesagt, sie wäre nie an die Öffentlichkeit gegangen, wenn sie nicht hundertprozentig überzeugt gewesen wäre. Sam setzt keine
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