AAA - Das Manifest der Macht
Labyrinth geraten, das nur aus dead ends zu bestehen schien. Dennoch hatte sie das eigenartige Gefühl, der Lösung einen Schritt näher gekommen zu sein.
„Er scheint nicht zu existieren. Er scheint nicht zu existieren.“
Wieder und wieder schwirrte ihr der Satz von Ben durch den Kopf. Seitdem sie das Restaurant verlassen hatten, wurde sie ihn nicht mehr los.
Natürlich hatte sie zuerst ebenso wie John alles abgetan, was Ben sagte. Doch diesmal war es irgendwie anders.
Normalerweise beharrte Ben nicht so sehr darauf, dass man ihm zustimmen und seinen Theorien Glauben schenken musste. Er glaubte daran, und das reichte ihm in den meisten Fällen. Aber nun blieb Ben hartnäckig. Er hatte den Zeitungsartikel immer wieder erwähnt, und sie hatten ihn jedes Mal abblitzen lassen.
Wie war noch mal der Name des Verfassers? Sam trocknete sich die Hände ab und nahm ihr iPhone, das neben der Wanne auf einem kleinen Hocker lag.
Adrian Poor.
Sie erinnerte sich seltsamerweise sofort wieder daran, was nicht zuletzt an der Namensähnlichkeit mit einer der großen Ratingagenturen lag. Sie gab den Namen bei Google ein, überflog ein paar belanglose Artikel, bis sie auf etwas Interessantes stieß, das Ben bei seiner Recherche anscheinend übersehen hatte. Was sie hier las, das passte perfekt zu der abstrakten Bankenwelt. Unglaublich, dass sich die Strategie der Banken offensichtlich in den letzten 200 Jahren nicht geändert hatte. Im Fernsehen liefen genau in diesem Moment die Vorankündigungen für die Spät-Nachrichten.
Eine der Schlagzeilen des Abends lautete: „Weltwirtschaftskrise: wieder hat sich eine Bank mit dubiosen Derivaten verzockt! Die Schattenbanken drehen hundertmal mehr Geld, als in der Realwirtschaft überhaupt existiert. Mehr zu dem Thema ab Mitternacht“.
Nachdem Samantha den Eintrag auf ihrem iPhone mehrfach gelesen hatte, sprang sie aufgeregt aus der Wanne, warf sich den Hotelbademantel über und jagte wie von einer Tarantel gestochen und ohne weiter über ihr tropfnasses Haar oder sonstiges Erscheinungsbild nachzudenken aus ihrem Hotelzimmer.
John hatte nach der Rückkehr ins Hotel seinen seidenen Pyjama angezogen, sein übliches Abendritual im Bad erledigt, sich dann aufs Bett gelegt und die Zimmerdecke angestarrt. Zwischendurch nahm er immer wieder einen Schluck aus der kleinen Jack-Daniels-Flasche, die er der Minibar entnommen hatte.
Was war von einem Tag, von einer Stunde zur anderen bloß mit seinem Leben passiert, fragte er sich zum wiederholten Male und betrachtete eingehend die weiße Holzvertäfelung an der Decke. Vor nicht mal einer Woche war er noch renommierter Staranwalt einer führenden New Yorker Kanzlei gewesen. Sein Leben war angenehm. Er brauchte sich um nichts Sorgen zu machen.
Geld war genug da, zumindest daran hatte sich nichts geändert.
Er hatte Freunde. John dachte kurz nach. Hatte er eigentlich Freunde? Auf Anhieb fiel ihm keiner ein. Ben war früher einer gewesen, doch ihn hatte er seit Jahren nicht mehr gesehen. Nein, eigentlich hatte er keine echten Freunde. Dafür umso mehr Bekannte. Doch auf die konnte man in Notsituationen nicht zählen.
Er hatte nie wirklich über so etwas nachgedacht und wurde jetzt noch deprimierter, da ihm klar wurde, dass er die meiste Zeit seines Lebens allein verbracht hatte. Ohne Familie, ohne Freunde. Selbst seine Abstammung stand jetzt zur Debatte. Das war ihm noch nie wichtig gewesen, hatte er doch seine Selbstbestätigung ausschließlich im Job gefunden. Selbst mit Frauen war er immer vorsichtig geblieben. Er hatte sich nie ganz geöffnet, aus Angst verletzt zu werden, und noch mehr aus Angst, vor dem, was ihn letztendlich in einer dauerhaften Beziehung erwarten würde. Doch jetzt war sowieso alles ganz anders.
So war das also, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird, so fühlt sich das an, dachte er.
Bevor er weiter grübeln und noch deprimierter werden konnte, trommelte jemand gegen seine Zimmertür. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er sich schon seit über einer Stunde selbstmitleidigen Gedanken hingegeben hatte.
Er stand auf und ging zur Tür.
„Samantha? Was ist los? Ist dir was passiert?“ John sah Samantha überrascht an. Sie stand in ihren Bademantel gehüllt mit vor Aufregung weit geöffneten Augen vor seiner Tür.
Bevor er noch eine Antwort bekam, war sie schon an ihm vorbei in sein Zimmer geschlüpft und hatte sich aufs Bett gesetzt.
John lächelte. „Eigentlich bin ich dafür jetzt nicht wirklich
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