AAA - Das Manifest der Macht
in Stimmung.“
Sam sah ihn verwundert an. Dann bemerkte sie seinen verstohlenen Blick in Richtung ihres Dekolletés. Der Bademantel stand einen Spalt offen und gab Dinge preis, die sie ihm eigentlich gar nicht hatte zeigen wollen.
Schnell schloss sie den Mantel mit beiden Händen, sah John an und erwiderte: „Du glaubst doch nicht wirklich, dass dein Aufzug so aufreizend für mich ist, dass ich mich dir hier halbherzig verpackt anbiete.“ Sie betrachtete abschätzend seinen dunkel gestreiften Pyjama.
„Frauen stehen auf so was.“
„Nur Frauen, die blind und geldgeil sind. Solche Schlafanzüge tragen nur reiche, betagte Herren, die kurz vor dem Herztod stehen und so der Frau Aussicht auf eine gelungene Erbschaft bieten. Sexy sieht anders aus.“
„Aha?“ John grinste und holte eine weitere Flasche Jack Daniels aus der Minibar.
„Gib’ mir bitte auch eine und hör’ mir einfach nur zu.“
Er warf ihr eine Flasche zu, die sie geschickt auffing, und setzte sich zu ihr auf den Bettrand. „Erzähl. Was ist los?“
Sie leerte die kleine Flasche in einem Zug, wischte sich mit dem Ärmel des Bademantels über den Mund und wollte gerade zu sprechen anfangen, als John sie nochmals unterbrach.
„Das war aber auch nicht gerade ladylike.“
„Ach, hör’ auf damit. Ich hab etwas Wichtiges herausgefunden. Wen interessiert da schon, wie wir aussehen.“
John legte beschwichtigend die Hand auf ihren Arm und zog fragend die Augenbrauen hoch.
„Ben hat uns doch den ganzen Abend mit dieser Geschichte aus der alten Zeitung … Nun schau’ nicht so genervt und hör’ mir zu!“ Sie holte erneut Luft: „Jedenfalls hat mich die Vehemenz, mit der er seine Theorie vertrat, nicht mehr in Ruhe gelassen. Also hab ich den Namen des Verfassers im Internet recherchiert. Und es war was dran – zumindest anfänglich. Herr Poor schien wirklich nicht zu existieren. Ich hab mich bei Google durch etliche Seiten gekämpft, in denen es um arme Adrians ging, und dann bin ich endlich auf etwas gestoßen.“
Nach einem kurzen Kontrollblick zu John, der immerhin zu einem neutralen Gesichtsausruck gewechselt hatte, fuhr sie fort. „Erst hab ich mir nichts dabei gedacht. Aber dann… warte, ich zeig es dir.“
Sie zog ihr iPhone aus der Tasche des Bademantels hervor und musste nicht lange suchen, da die gewünschte Seite noch offen war.
„Hier, sieh selbst.“
John nahm das Handy entgegen und las.
„Eine Todesanzeige. Und?“
„Sieh mal genauer hin!“, forderte sie ihn ungeduldig auf.
„Was soll da sein?“
„Mensch, kannst du nicht lesen? Achte doch mal auf die Namen!“
Wieder sah John auf das Display. Diesmal las er den Namen des Verstorbenen und der Hinterbliebenen, aber es fiel ihm immer noch nichts auf.
„Klär’ mich schon auf“, bat John ungeduldig.„Ich komme mir vor wie bei einer Quizshow.“
„Gut! Der Tote heißt mit zweitem Namen Adrian. Genauso wie der Verfasser des Zeitungsartikels, mit dem Ben uns heute genervt hat.“ „Da ist er sicher nicht der einzige auf der Welt, der so heißt, ob mit erstem, zweitem oder drittem Namen.Was soll daran so spektakulär sein?“
„Dann schau mal auf den Mädchennamen der trauernden Witwe.“
„Poor.“ John machte eine Pause.
„Es werde Licht und es ward Licht. Jetzt hast du es kapiert.“ Samantha grinste.
Hat ja auch lange genug gedauert, dachte sie.
„Du meinst also, dass Ben mit seiner Pseudonym-Theorie Recht hat, und der eigentliche Verfasser des Artikels dieser Guy Adrian de Levigne ist?“
„Ja, genau das meine ich.“
„Aber was hat das damit zu tun, ob diese Geschichte glaubhaft ist oder nicht?“
„Das kann ich dir sagen. Natürlich hab ich auch diesen Guy de Levigne gegoogelt, und ob du es glaubst oder nicht, der Mann hat eng mit Karl Marx und Friedrich Engels zusammengearbeitet.“
„Okay. Das ist ein Argument. Das lass ich gelten!“
In der New Yorker Redaktion lief Samanthas Chef Gordon Fletcher beinahe Amok. Eine Grippewelle hatte zwei seiner Moderatoren die Stimme geraubt. Doch damit nicht genug hatte ein Praktikant, den er zu einer Berichterstattung als Unterstützung des Teams nachschickte, einen kaum vier Wochen alten SUV zu Schrott gefahren. Zum Glück blieb der Junge bis auf ein paar harmlose Schrammen an den Armen beinahe unverletzt, aber alleine die Tatsache, dass er sich wieder einmal mit Versicherungsleuten rumärgern musste, machte Gordon Fletcher aggressiv. Und zu guter Letzt war seine beste Kraft,
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