AAA - Das Manifest der Macht
alten Geschichten aufzuhalten, die allem Anschein nach reine Fantasieprodukte sind und sich letztlich als Dummer-Jungen-Streich herausstellen.“
Er ließ Ben stehen und folgte Samantha zurück in den Lesesaal.
Enttäuscht blieb Ben allein im Flur zurück und überlegte. Er spürte ein Gefühl der Unruhe. Sein Instinkt sagte ihm, dass er auf dem richtigen Weg war. Nur ein sehr, sehr nahestehender Wegbegleiter konnte diese Geschichte über Karl Marx verfassen, dessen war sich Ben sicher.
Kurz dachte er an die Unterhaltung im Taxi über die Umstände des Todes von Lady Di im Jahre 1997. Er zuckte die Schultern. Vielleicht war das mit dem britischen Königshaus und dem Geheimdienst ja wirklich ein bisschen dick aufgetragen, aber in dieser Sache, bei diesem eben zufällig gefundenen Artikel fühlte er deutlich, dass er Recht hatte. Er musste es den beiden nur beweisen, und er wusste auch schon wie.
Er blickte auf den Ausdruck des Artikels, den er immer noch in der Hand hielt, und suchte den Namen des Verfassers.
„Adrian Poor“
stand direkt unter der Überschrift. Ben beschloss, die weitere Recherchearbeit dem Leben und Schaffen dieses Herrn zu widmen, und begab sich zurück an seinen Platz im Lesesaal.
Das junge Mädchen, das während Bens Unterhaltung mit John neben den beiden gestanden und konzentriert in einer Broschüre geblättert hatte, zog ein Mobiltelefon aus der Tasche ihrer Jeans und drückte darauf eine Taste.
„Sie haben den Artikel gefunden“, sagte sie in das Gerät, „die Aktion läuft wie geplant. Ich melde mich wieder.“
Sie klappte das Gerät zu und setzte sich wieder an ihren Platz im Lesesaal, von dem sie Ben gut im Blickfeld hatte.
Zwei endlos erscheinende Stunden und eine weitere halsbrecherische Taxifahrt später stand das Trio vor einem kleinen, gemütlichen Pariser Restaurant.
„Benehmt euch! In so einem Laden geht man davon aus, dass ihr mindestens ein dreigängiges Menü bestellt. Wenn ihr also nur einen Salat essen wollt, dann müssen wir in eine Brasserie gehen.“ Samantha flüsterte mit Ben und John, denn die drei wurden bereits am Eingang vom Oberkellner empfangen, der sie zu einem freien Tisch geleitete und ihnen freundlich die Speisekarten aushändigte. John und Ben bestellten sich gemeinsam eine Flasche Bordeaux, Samantha ein Glas Chardonnay. Sie warteten darauf, dass die Suppen und die Vorspeisen serviert wurden und unterhielten sich inzwischen angeregt über ihre Entdeckungen in der Alten Nationalbibliothek.
„Ich bin bei der Suche immer wieder auf diesen unehelichen Sohn von Karl Marx gestoßen“, berichtete Samantha und nahm einen Schluck von ihrem hervorragend gekühlten Wein, der ganz anders schmeckte, als der süßlichere kalifornische, den sie meistens in der Redaktion nach einer gelungenen Sendung tranken.
„Ja, ich auch“, vermeldete John. „Aber wie wir wissen, hieß der sein Leben lang Demuth und nicht Marx, scheidet also als mein Vorfahr aus. Wo ich auch nachgeschaut habe, überall stand im Wesentlichen dasselbe. Marx hat seine Haushälterin geschwängert, 1851 tat der kleine Frederick seinen ersten Schrei. Man wollte Ungemach von Marx fernhalten, Engels übernahm die Verantwortung. Immer gleich, keine großen Abweichungen.“
„Stimmt“, übernahm Samantha die weitere Schilderung, „Frederick kam in London zu Pflegeeltern und wurde später Büchsenmacher. Was ich nicht gefunden habe, ist ein Hinweis darauf, dass es irgendwann später eine Änderung des Namens in Marx gab, dass er also den Namen seines leiblichen Vaters angenommen hätte.“
„Darüber habe ich auch nichts gefunden“, stimmte John ihr zu. „Ich finde das im Übrigen alles sehr weit hergeholt. Vielleicht ist ja an dieser Stelle die Ahnenreihe tatsächlich unterbrochen, und wir jagen einem Phantom hinterher.“
„Unterbrochen, um bei der Errichtung des heutigen Grabmals im Jahre 1954 plötzlich wieder verbunden zu sein?“, überlegte Samantha. „Nein, mein Lieber, für die Einladung an deinen Vater muss es eine Erklärung geben.“
Die Suppen waren inzwischen serviert worden, und John rührte nach einmaligem Kosten in seiner mit dem Löffel herum. Sie schmeckte ihm nicht, und er überlegte kurz, ob er sich beschweren oder sie einfach stehenlassen sollte. Er entschied sich für Letzteres und schob den Teller kurzerhand beiseite.
„Ist sie nicht gut?“
„Nein, hab’ schon mal bessere gegessen.“ Er verzog das Gesicht, aber kam sogleich wieder zum Thema zurück.
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