Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
geht nicht. Ein paar Tage müssen Sie schon bei uns bleiben.» Sie klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und lächelte ihn an. «Nur eine Woche.»
Seine grauen Augenbrauen schossen nach oben. «Eine ganze Woche? Wie soll das gehen? Meine Frau, sie ist allein …»
Sie spürte seine Sorge, die sich mehr um seine Frau als um seine Gesundheit drehte. Und dann erkannte sie den Grund: Seine Frau war behindert. Diese Selbstlosigkeit rührte sie. Seine Besorgnis schwappte in warmen Wellen zu ihr, bis sie das Gefühl hatte, sie würde die Situation mit seinen Augen betrachten. Sorgen und Traurigkeit waren für seinen Genesungsprozess auf keinen Fall förderlich.
«Geben Sie mir bitte Ihre Telefonnummer, ich rufe Ihre Frau gleich nachher an. Machen Sie sich keine Sorgen.» Noch immer blieb seine Miene skeptisch. «Versprochen», setzte Rebecca nach.
Er entspannte sich und atmete erleichtert aus. «Sie haben ein gutes Herz.» Lächelnd tätschelte er ihre Hand.
«Schon gut.» Rebecca winkte die Schwester herbei. «Den Patienten bitte auf Station 5. Und der Stationsarzt möchte mich morgen früh gleich anrufen. Ach, und wie hieß noch mal dieser Betreuungsservice, der neulich draußen Flugblätter verteilt hat?»
«All-in-one, glaube ich», sagte die zierliche Schwester mit den Rastalocken und schob den Rollstuhl zur Tür.
«Suchen Sie mir doch bitte seine Nummer heraus, ja?», bat Rebecca.
Sie nickte und verließ mit dem Patienten den Untersuchungsraum.
«Geschafft», sagte Rebecca laut und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie zog die Latexhandschuhe aus und warf sie neben sich in den Mülleimer. Ihre Knöchel und Waden waren geschwollen, und es fiel ihr immer schwerer, sich zu konzentrieren. Das verstörende Erlebnis mit dem Kombi hatte zusätzlich an ihren Nerven gezehrt. Für die nächste Zeit hatte sie die Nase gestrichen voll von irgendwelchen aufregenden Erlebnissen. Ihr Job war hart genug. Dennoch freute sie sich auf die Chance, sich bald als Chirurgin bewähren zu können.
Rebeccas Zunge klebte am Gaumen. Sie lief zum Wasserspender in der Ecke. Noch ein wenig Papierkram und dann ab zur Verabredung , dachte sie und ließ das Wasser in den Pappbecher laufen, bevor sie den Inhalt hinunterstürzte.
Die beiden Schwestern, die ihr assistiert hatten, desinfizierten das Besteck und wuschen eine Nierenschale aus, in die sich ein Patient übergeben hatte.
«Wo bist du?»
Rebecca fuhr herum. Sie mochte es nicht, wenn die anderen während der Arbeit tuschelten. «Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann bitte laut», wandte sie sich an die beiden Krankenschwestern, die mit den Köpfen schüttelten.
«Wir haben nichts gesagt.»
«Okay, war wohl eine Halluzination.» Rebecca hob lachend die Hände. Sollte alles wieder von vorne anfangen? Ach was, wahrscheinlich spielten ihr die Nerven nur einen Streich. Mit einem Achselzucken schaltete sie den Computer ein.
Vor über einem Jahr hatte sie zum ersten Mal dieses Flüstern gehört und einen Kollegen in der Psychiatrie aufgesucht. Es saß wie ein Parasit in ihrem Kopf. Der Psychiater schob alles auf den Stress und ihre sensible Persönlichkeit und verschrieb ihr ein leichtes Entspannungsmittel, wonach der Spuk tatsächlich aufgehört hatte.
«Sag mir, wo du bist!»
Das Flüstern wurde eindringlicher. Rebecca wandte sich erneut zu den Schwestern um, die eifrig, aber schweigend Binden wickelten. Fragend sahen beide auf. Ihre Halluzinationen waren also zurückgekehrt. Sie stöhnte innerlich auf. Es gab genügend Studien über dieses Thema.
Nein, dieses Mal würde sie sie ignorieren. Sie schüttelte den Kopf und setzte sich an den Schreibtisch, um die Krankenberichte in den Computer zu tippen. Im selben Augenblick flog die Tür hinter ihr auf und knallte gegen den Schrank. Rebecca wirbelte empört herum.
Im Türrahmen stand ein stämmiger Mann mit grimmiger Miene, der auf seinen Armen den blutüberströmten Körper eines ohnmächtigen Teenagers trug.
«Schnell, helfen Sie ihm!»
«Legen Sie ihn auf den Tisch.» Rebecca sprang auf und streifte sich neue Handschuhe über. Wo blieb denn nur die Ablösung? Ihr Kollege hätte schon vor einer halben Stunde seinen Dienst antreten müssen. Behutsam legte der Mann den Körper des Jungen ab und redete beruhigend auf ihn ein.
«Was ist passiert?» Rebecca trat an den Untersuchungstisch und schnitt mit einem Skalpell das blutdurchtränkte Sweatshirt des Jungen auf.
«Drei Jugendliche haben auf ihn eingestochen. In der
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