Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
U-Bahn», erklärte er.
«Warum haben Sie nicht sofort den Notarzt angerufen?»
Er sah zu ihr auf, ein wachsamer Ausdruck trat in seinen Blick. «Es war ja die Station um die Ecke.»
«Was Sie getan haben, war fahrlässig. Er könnte innere Blutungen haben», fuhr sie ihr Gegenüber an.
Der Junge stöhnte auf. Der Stämmige beugte sich zu ihm hinab und sprach erneut auf ihn ein, bis er sich wieder beruhigt hatte. Eine tiefe Wunde zog sich quer über seinen Brustkorb, aus der Blut und eine undefinierbare grünliche Substanz quollen.
«Verlassen Sie jetzt bitte den Raum», wies Rebecca den Begleiter des Jungen an und deutete mit dem Kinn zur Tür. Er nickte und machte auf dem Absatz kehrt. Rebecca wandte sich an eine der Schwestern: «Ich mache einen Abstrich. Diese Substanz muss dringend ins Labor. Schwester Thorne, Sie helfen mir bitte beim Ausziehen.»
Rebecca stutzte, als ihr die seltsamen Male an der Innenseite seiner Unterarme auffielen, die wie Brandzeichen aussahen und die abstrakte Form einer Flamme besaßen. Auf welche irrwitzigen Ideen die Jugendlichen heutzutage kamen.
Als sie vorsichtig über die roten Narben fuhr, strömte eine Bilderflut auf sie ein. Plötzlich war es, als tauchte sie in den Körper des Jungen ein und betrachtete das Geschehen mit seinen Augen. Drei Männer mit mordlüsternem Blick umzingelten ihn. Ihre Augen leuchteten rot. Rebecca spürte die Angst des Jungen. Hinter ihm loderte Feuer und verhinderte eine Flucht. Der Junge neigte den Kopf und aus seinem Rücken wuchsen schwarze Flügel. Einer der Kerle, der Krallen statt Fingernägel hatte, stürzte mit einem animalischen Schrei vor und schlitzte den Jungen auf. Rebecca glaubte in diesem Moment, jemand schnitte ihren Brustkorb auf, und zuckte zusammen. Die Todesangst des Jungen legte sich wie ein eisiger Schleier über sie.
«Dr. Clancy?»
Wie durch einen Nebel drang die Stimme der Schwester zu ihr. Sie schüttelte den Kopf und tauchte allmählich aus der Tiefe ihres Bewusstseins auf. Was ging hier vor?
Dass ihr Geist in den Körper des Jungen gefahren war, erschreckte sie zu Tode. Doch es blieb ihr keine Zeit, länger darüber nachzugrübeln, denn die Gliedmaßen des Jungen zuckten unkontrolliert wie unter Stromstößen. Seine Züge verzerrten sich, als wirkten Zentrifugalkräfte auf ihn ein.
«Hey, ganz ruhig.»
Sie hoffte, ihre Stimme würde zu ihm durchdringen und ihm die Angst nehmen. Rebecca drehte ihn vorsichtig auf die Seite und erkannte, dass das Hemd am Rücken zwei handgroße Risse aufwies.
Bevor sie es längs entlang der Wirbelsäule aufschnitt, ahnte sie bereits, was sie erwarten würde. Sie klappte den Stoff um, trennte die Ärmel ab und zog alles herunter.
Gurgelnde Laute entstiegen der Kehle des Jungen, während er am ganzen Leib zitterte, als hätte er Schüttelfrost. Seine Zähne schlugen laut aufeinander. Er krümmte sich vor Schmerzen. Schmerzen, die Rebecca fühlen konnte. Sie erstarrte, als sie seinen Rücken nach weiteren Wunden untersuchte und zwei frische Narben zwischen den Schulterblättern entdeckte. Auf den ersten Blick sahen sie wie Brandwunden aus wegen der Asche, die obenauf lag und bei jedem seiner Atemzüge herabrieselte. Doch es waren keine Brandblasen zu sehen.
Dort hatten seine Flügel gesessen , schoss es ihr durch den Kopf. Das gab es doch nicht! Menschen besaßen keine Flügel! Auch keine roten Augen! Was ging hier vor?
«Was ist das denn?» Schwester Thorne zeigte mit dem Finger auf den schwarzen Staub, der aufwirbelte und sich auf dem weißen Laken absetzte.
«Asche.» Rebecca strich vorsichtig über die Narben und zerrieb anschließend den Staub zwischen den Fingerkuppen.
«Im Feuer geboren, wird er auch dem Feuer geopfert.»
Das Geflüster war wieder zurück, als hätte es der Staub ausgelöst. Der Junge stöhnte lauter und krümmte sich.
«Spürst du seinen Schmerz?»
Rebecca zuckte erneut zusammen. Ihre Haut ringsum die Handgelenke brannte.
«Alles in Ordnung, Dr. Clancy?», fragte die Schwester besorgt.
«Ja, alles bestens», log Rebecca.
Jeder würde das Geflüster auf den Stress schieben und glauben, sie wäre vor lauter Arbeit übergeschnappt. Noch einmal betrachtete sie die Narben des Jungen eingehend. Ihm schienen die Flügel abgebrannt zu sein. Ohne weitere Hautschädigungen. Das war unmöglich, unheimlich und doch die einzige Erklärung.
«Guten Abend, Rebecca. Ich übernehme.»
Es war ihr Chef, Dr. Marley. Erstaunt sah sie auf. Wieso er? Wo steckte James,
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