Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
große Schwester gesehen. Aaron schwieg betroffen, als er die Sorge im Blick seines Gegenübers erkannte. Er suchte nach den passenden Worten, doch ihm fielen keine ein.
«Sie ist von uns gegangen», antwortete Ham für ihn und deutete mit der Hand zum Himmel.
Joel wich zurück. «Nein», stieß er entsetzt hervor, «Aaron sag, dass das nicht wahr ist. Nicht Cyn. Du hast sie doch gerettet. Ich habe es selbst gesehen.»
Wie gern hätte er Joel widersprochen, aber die Realität machte ihn genauso betroffen. «Nein, Joel, Cyn hat es nicht geschafft. »
«Aaron hat alles getan, um sie zu retten», beteuerte Ham.
Joel nickte, aber der Schmerz in seinen Augen zog Aaron die Kehle zusammen. «Verdammt, wenn ich doch nur was von diesen Versammlungen geahnt hätte.» Joel stieß einen kurzen verzweifelten Schrei aus und hieb die Faust in die Luft.
«Vorwürfe helfen uns nicht weiter. Wir müssen jetzt nach vorne sehen.»
Seine eigenen Worte klangen in Aarons Ohren so abgedroschen. Nur zu gut erinnerte er sich an den Tag, an dem er selbst seine Familie verloren hatte. Er hatte im Schmerz alle fortgestoßen, die ihn trösten wollten. Obwohl Uriel es nie ausgesprochen hatte, spürte Aaron, dass er ihm die Schuld am Tod seiner Mutter gab. Die Wunden waren zwar verheilt, aber vergessen würde er nie.
«Joel, ich weiß, was du jetzt empfindest …»
Er legte dem Freund die Hand auf die Schulter, aber der stieß sie fort.
«Ich frage mich, warum Luzifer dort aufgetaucht ist», sinnierte Ham.
Luzifer hatte die Welt der Menschen seit Jahren gemieden. Das musste einen Grund haben, einen ganz besonderen. Die Seelen der Nephilim hätte er auch leichter bekommen können. Wie auf Kommando brannte erneut sein Engelszeichen am Hals.
«Ist mein Vater noch dort?», fragte er.
Joel schüttelte den Kopf. «Nein, unsere Väter haben die wenigen Überlebenden in Sicherheit gebracht. Ich geh dann mal auf mein Zimmer.»
Joel schlurfte mit hängenden Schultern in die Bar. Auch Ham entschuldigte sich und hinkte hinterher. Aaron musste in Ruhe über das Geschehene nachdenken. Die kühle Luft tat ihm gut. Die Erinnerungen, die er seit Jahren verdrängte, waren schmerzhaft präsent. Cyns Tod musste gerächt werden und der seiner Mutter. Er musste diesen verfluchten Verkünder finden und vernichten, bevor er noch mehr Unheil anrichtete.
Aaron sah auf, als er eine Bewegung über sich wahrnahm. Uriel glitt zu Boden wie eine Feder. Aaron liebte und verehrte seinen Vater, auch wenn der ihm nie verziehen hatte, dass er Rosie gerettet hatte, anstatt das Schwert gegen Seraphiel zu erheben, wie es einem Engelskrieger gebührte. Uriel war ehrgeizig und zog sich oft genug den Zorn der anderen Engel zu. Doch im Kampf gegen Luzifer war der unerschrockene Streiter für das Engelsheer unverzichtbar. Selbst der Höllenfürst fürchtete ihn.
Aaron war stolz auf seinen Vater und versuchte ihm nachzueifern, wo es nur ging. Es war einem Blutengel möglich, in den Kreis der «reinen» Engel aufgenommen zu werden. Ein Reiner zu werden, bedeutete jedoch Verzicht auf alles Irdische.
Jophiel, der erste Blutengel und Sohn Uriels, besaß diese Ambitionen. Im Gegensatz zu Aaron hatte er sich stets dem Willen ihres Vaters gebeugt und allen irdischen Versuchungen widerstanden. Wollte Aaron das auch?
Allein wenn er an Rebecca dachte, konnte er sich nicht dazu durchringen, auf Sex zu verzichten. Alles aufzugeben, was ihm Freude bereitete – gutes Essen, Vergnügungen und attraktive Frauen –, dazu war er nicht bereit, selbst wenn er sich noch so sehr wünschte, dass sein Vater stolz auf ihn wäre. Es versetzte ihm jedes Mal einen Stich, wenn er Jophiel lobte. Uriel trat auf ihn zu. Aaron wusste, weshalb sein Vater zu ihm gekommen war.
«Cynthia ist tot», sagte er.
Sein Vater presste die Kiefer zusammen und sog scharf die Luft ein. «Erst die Erleuchtete und jetzt sie. Welch ein Verlust in der Geschichte unseres Krieges. Und die vielen Seelen, die wir in dieser Nacht an Luzifer verloren haben …»
«Weshalb ist er plötzlich dort aufgetaucht?»
Uriel rieb sich das Kinn. «Cynthias Visionen müssen bedeutsam sein. Hat sie dir irgendetwas darüber erzählt?»
Aaron schüttelte den Kopf. «Nein. Sie hat nie mit mir darüber geredet.»
«Mit wem hat sie sich in letzter Zeit getroffen?»
«Keine Ahnung. Von diesem geheimen Treffen hat Joel auch erst heute erfahren.»
«Prophetinnen sprechen in Rätseln oder Metaphern. Die wichtigsten Prophezeiungen teilen sie nur
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