Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
nicht mehr zeigen. Die Hoffnung für die Nephilim ist mit ihrem Tod gestorben.» Er schlug das Kreuz über ihr.
Aaron fühlte sich wie betäubt. Cynthias Körper war noch warm. Eben noch hatte sie auf der Bühne gestanden, lebendig, voller Tatendrang und jetzt lag sie tot in seinen Armen. Was würde aus der Hell’s Bar und dem Engelsghetto nun werden? Cynthia hatte beidem Seele verliehen. Es war sein Zuhause genauso wie das von Joel, Nathanael, Daniel und Ham.
Von einer tiefen Leere erfüllt stand er einen Moment mit der Toten auf seinen Armen da und blickte auf ihr bleiches Gesicht hinab. Ham schloss sanft ihre Augen, dann öffnete der Alte behutsam Aarons Finger, die noch immer Cynthias Körper umklammerten.
«Lass sie los, mein Sohn. Wir können nichts mehr für sie tun. Gleich wird ihr Körper zu Asche und mit dem Atem des Schöpfers fortgetragen werden.»
Seine Worte hallten dumpf in Aaron nach. So erging es allen Nephilim. Nur wenn ein Blutengel starb, entmaterialisierte sich der Körper in goldglitzernden Staub. Aaron fühlte sich für Cynthias Tod verantwortlich. Vielleicht würde sie jetzt noch leben, wenn er nicht gezögert hätte. Es waren nur Sekunden …
«Es ist nicht deine Schuld.»
Hams Hand legte sich auf seine Schulter. Aarons Kehle zog sich zusammen, als er die Leiche vorsichtig auf den Boden legte, damit sie die Reise antreten konnte, die ihnen allen bestimmt war.
Cynthias Haut wurde trocken und brüchig. In Sekundenschnelle verdorrte ihr Körper wie eine Pflanze in der Wüstensonne. Nach wenigen Atemzügen glich sie einer Mumie und zerfiel schließlich zu Asche. Das Kurzschwert, das in ihrem Körper gesteckt hatte, polterte auf den Boden.
Ham hob es auf und steckte es mit einem Seufzen in seine Tasche. Ein Gebet murmelnd zog er mit der Hand über dem Aschehaufen einen imaginären Kreis in der Luft. «Mögen eure Seelen Frieden finden.» Bei diesen Worten hielt er seine Hände so, als wollte er Wasser schöpfen, und die Asche sammelte sich darin.
«Lass es uns vollenden», sagte er und bedeutete Aaron mit einem Nicken, die Tür nach draußen zu öffnen. Der Heiler trat hinaus in die Nacht und hielt die Asche empor. «Wird der Körper auch zu Asche, die Seele folgt der Ewigkeit», sprach er.
Eine leichte Böe wirbelte Cynthias Überreste hoch und trug sie fort. Aarons Blick folgte der Asche, bis sie in der Dunkelheit verschwand. Noch immer glaubte er Cynthia zu spüren, ihre Stimme zu hören und wie sie mit einer Kopfbewegung das Haar über ihre Narben fallen ließ.
«Du bist verletzt, Aaron.»
«Nicht der Rede wert. In einer Stunde ist es verheilt.» Die Wunde schmerzte zwar noch, aber nicht wie zu Beginn. «Was hast du damit gemeint: ‹Mögen eure Seelen Frieden finden›?» Aaron wandte sich zu dem Alten um.
«Cynthia war schwanger.»
Diese Neuigkeit verschlug Aaron die Sprache. Keiner von ihnen schien etwas gemerkt zu haben. Joel und die anderen hätten es ihm gesagt.
«Bist du dir sicher, Ham?»
Der Alte nickte.
«Wer ist der Vater?» Aaron fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes Haar. War das der Grund für ihren Gesinnungswandel?
«Ein Nephilim … oder ein Gefallener.»
Ham hatte recht. Das Kind eines Menschen wäre nicht mit ihrem Körper zu Asche zerfallen.
«Ein Kind verändert vieles. Vielleicht hat sie nicht allein für die Nephilim, sondern für ihr Kind gekämpft, für eine bessere Welt, in der es aufwachsen sollte.»
«Umso tragischer erscheint mir ihr Ende.»
Aaron seufzte. Er konnte es noch immer nicht fassen. Zu seiner Trauer gesellte sich auch Wut. Wut auf ihre Mörder, Wut auf Luzifers Schergen und unbändige Wut auf diesen Verkünder. Quietschende Bremsen und eilige Schritte ließen ihn herumfahren.
Es war Joel, der außer Atem um die Ecke bog. «Luzifer ist entkommen», stieß er keuchend hervor.
«Und Azazeel und der andere Gefallene?»
Ein triumphierendes Lächeln erschien auf Joels Gesicht. «Azazeel wurde von deinem Vater vernichtet, der andere von mir.»
Aaron klopfte ihm stolz auf die Schulter. Joel hatte seine Ausbildung als Blutengel erst im vergangenen Jahr abgeschlossen. «Und der Verkünder?», hakte Aaron nach.
Joel zuckte mit den Achseln. «Wir haben ihn aus den Augen verloren.» Joel wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. «Wo ist Cyn?»
Er blickte über Aarons Schulter zur geöffneten Tür. Die Frage hatte Aaron befürchtet. Es fiel ihm schwer, dem Freund vom Tod der Prophetin zu erzählen. Joel hatte in ihr die
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