Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
Glück hatten, waren sie hübsch und fielen häufig hin, so dass wir sie immer wieder auf die schönen Beine stellen mussten.
Oft versuchten sich die Gäste ihren Skilehrer selbst auszusuchen, besonders nachdem wir einige Berühmtheit erlangt hatten. Das klappte natürlich nicht immer, aber ich erinnere mich besonders an eine Dame, die damit erfolgreich war: Lange Zeit war ich Skilehrer der 1A, das ist die Gruppe der Besten, sie bewegt sich ausschließlich (zum Beispiel zum Tiefschneefahren) im Gelände. Diese Saisongäste verbringen neben ihrem Urlaub fast jedes Wochenende bei uns und verlangen von einem Skilehrer Können und Kondition, denn es erfordert viel Erfahrung im oft unwegsamen Gelände. (Skilehrer haben immer dann anspruchsvolle Arbeitstage, wenn der Gast anspruchsvoll ist!) So fuhr ich mit meinen »Musterschülern« über die Piste und wurde dabei von dieser Dame beobachtet. Sie war offenbar beeindruckt.
Es blieb nicht nur beim Gucken, denn sie erkundigte sich über mich, lief schnurstracks ins Skilehrerbüro und sagte: »Wir wollen drei Wochen privat fahren, aber nur mit Willi Mathies!« »Wir«, das waren ihr Mann Fritz, ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt aus dem westfälischen Hagen und sie, Nika – beide 1977 zum ersten Mal in Stuben. Meinem Ruf und ihrer Hartnäckigkeit waren es zu verdanken, dass ich mit dem Ehepaar aus Deutschland von nun an auf die Piste ging und das bis heute, jedes Jahr für mehrere Wochen. Später kamen sie mit ihren Kindern, Pia und Kilian, die einen eigenen Skikurs besuchten, während ich mit den Eltern unterwegs war. Dieses Jahr konnten wir gemeinsam mit Kindern und Enkelkindern das 35-jährige Stuben-Jubiläum feiern. Ich gebe zu: Anfangs fuhr ich eher unfreiwillig mit dem Ehepaar (Frauen waren mir einfach lieber), aber heute bin ich dankbar für diese wunderbare Freundschaft, wir teilen ein Stück unseres Lebens.
Privat- und Stammgäste sind einem natürlich besonders ans Herz gewachsen, ich wurde von Industriellen und Kaufleuten gebucht und war mächtig stolz darauf mit den Herrschaften zu verkehren und den ganzen Tag – und wenn es gut lief gleich den ganzen Urlaub – zu verbringen. Es kommt nicht selten vor, dass diese Urlauber erst dann das Hotel buchen, wenn sie sicher sein können, auch ihren Lieblingslehrer zu bekommen. Meine Kollegen und ich sind mitunter 20, 25 oder 35 Jahre lang mit »unseren« Gästen gefahren, denn Stammgäste sind treue Seelen, sie nehmen ihre Lehrer auch mit, wenn sie an anderen Orten Ski laufen. Auf diese Art lernte ich wunderschöne Skigebiete mit großartigen Abfahrten kennen: in der Schweiz, in Frankreich und Italien. Doch trotz allem bevorzuge ich meinen Arlberg, denn solche Herausforderungen und eine Vielseitigkeit an Tiefschneehängen findet man – meiner Meinung nach – nirgends sonst.
In Wintersportgebieten trifft man hauptsächlich drei Gruppen an: Familien, Männer und Frauen. Es gibt die berüchtigten Damenhorden, die mit großen Erwartungen (und deshalb ohne männliche Begleitung) anreisen und Herrenstammtische und Kegelclubs, die einmal im Jahr die Sau rauslassen. Sie alle brauchen eine individuelle Betreuung, und teilweise sind auch heute noch echte Entertainerqualitäten gefragt.
Zu meiner Zeit übten Skilehrer auf Frauen aber einen besonders großen Reiz aus, immer strahlend, braun gebrannt, sportlich und charmant. Zu Hause saß meist ein gestresster Ehemann mit Bierbauch, der nach einem langen Arbeitstag über das Essen meckerte. Wir hingegen machten ihnen Komplimente, achteten sehr auf Körperkontakt (den wir ja auch bei unserer Arbeit nicht vermeiden konnten: Achtung Rückenlage!) und lasen ihnen jeden Wunsch von den Lippen ab. Der Rest war ein Kinderspiel, was natürlich zur Folge hatte, dass auch wir zu Sexobjekten wurden. Nicht dass ich darunter gelitten hätte, aber die Damen setzten einfach voraus, dass die Betreuung über den Parallelschwung hinausging. Ganze Frauengruppen lagen uns zu Füßen, und sowohl der Geist als auch das Fleisch waren schwach.
Die Betreuung der Herren sah natürlich anders aus. Die Ansprüche an das technische Können eines Skilehrers waren größer, es mussten Buckelpisten her, die Ehrgeizigen wollten Tiefschneefahren und am Ende des Urlaubs sichtbare Fortschritte gemacht haben. Aber auch hier gehörte eine gute Unterhaltung mit zünftigen Trinkspielen zum Programm, eine stabile Leber war Grundvoraussetzung. Ich möchte nun wirklich kein Mitleid, aber ich war von morgens bis abends im
Weitere Kostenlose Bücher