Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
… Ich nahm einen Whisky zum Warmwerden, und dann noch einen und noch einen. Wenn ich einmal an der Theke saß, dann bekam man mich nur ganz schwer dort wieder weg. Eine halbe Flasche später – ich war nicht mehr ganz nüchtern – stand plötzlich einer meiner Rennläuferkollegen etwas atemlos in der Tür: »Hey, Willi, beeil dich, du musst an den Start!« Ich winkte ab: »Keine Lust, sollen doch die anderen fahren!«
Und so widmete ich mich wieder meinem Lieblingsgetränk, scherzte mit den Gästen und gab ein paar Anekdoten vom König der Albona zum Besten. Ich war gerade so richtig in Fahrt, als mitten in die schönste Weiberheldengeschichte mein Fahrer Fritz platzte. Auch er etwas kurzatmig, dafür aber mit großer Klappe: »Es war allen klar, dass du mal wieder besoffen in der Kneipe sitzt und es nicht nach oben zum Start schaffst.« Hatte ich mich verhört, wollte da einer den großen Willi Mathies beleidigen? Ich richtete mich auf und rief: »So gut wie ihr fahr ich noch besoffen!« Die anderen Gäste johlten und pflichteten mir bei. Aber Fritz provozierte weiter: »Wenn du wirklich so gut bist, wie du immer behauptest, dann beweis es!« Meine Zunge war schon etwas schwer, und so begnügte ich mich mit einem verächtlichen »Pah!« Dafür übernahmen die anderen Gäste meine Verteidigung: »Der Willi fährt sie alle in Grund und Boden! Willi ist der König der Albona!«
Das war natürlich Balsam auf meine Seele, und mein ohnehin schon aufgeblasenes Ego schwoll noch ein wenig mehr an. »Euch werd ich’s zeigen!« Nun ging allerdings doch ein Raunen durch die Kneipe, denn damit hatte wohl keiner gerechnet. Doch mit mir musste man eben immer rechnen. Ich bat den Wirt, mir ein Pistenfahrzeug zu besorgen, was kein Problem war, denn ich kannte den Chef vom Lift. In Windeseile stand das Ding bereit, und die anderen Gäste witterten mal wieder eine kleine Sensationsgeschichte, die sie sich natürlich nicht entgehen lassen wollten. Nur Fritz, der Stänkerer, saß an der Theke und rührte sich nicht. Beim Rausgehen drehte ich mich um: »Was ist los? Du wolltest doch, dass ich dir was beweise, dann beweg deinen Hintern gefälligst nach oben!« Er blieb sitzen, was mich natürlich nur noch wütender machte. »Erst eine große Klappe riskieren und dann kneifen!« Ich knallte die Tür hinter mir zu und stapfte mit meinen Skischuhen raus in den kalten Winterabend.
Am Start angekommen ergatterte ich die letzte Startnummer. Einige Gäste aus der Kneipe positionierten sich im Zielgelände, sie konnten es gar nicht erwarten mich da runterfahren zu sehen. Vielleicht erhofften sie sich einen spektakulären Sturz oder eine anständige Blamage, denn sie hatten ja mitbekommen, dass ich ungefähr ein Fläschchen Whisky intus hatte. Alle anderen, Skiläufer und Zuschauer, starrten mich ungläubig an. Da stand ich nun, etwas derangiert mit halb offenen Skischuhen und reichlich Promille im Blut. »Willi, du bist besoffen, geh nach Hause!«
»Das könnte euch so passen!« So langsam machte mir die ganze Veranstaltung Spaß. Mein Ärger legte sich, und an seine Stelle trat der altbekannte Nervenkitzel. Das Publikum war natürlich voll auf meiner Seite, wenn einer für ein anständiges Unterhaltungsprogramm sorgte, dann war ich das. Ich war der Garant für gute Unterhaltung und ein Publikumsliebling. Irgendwann war es so weit. Meine Startnummer wurde aufgerufen, und ich stellte mich in Position. »Jetzt werdet ihr euer blaues Wunder erleben!« Als wäre der Teufel hinter mir her – und mit noch immer halb offenen Skischuhen – , raste ich die Rennstrecke hinunter, passierte meine johlenden Kneipenkollegen – und gewann! Mit Tagesbestzeit.
Danach hatte ich erst recht einen Grund (weiter) zu feiern: Ich war der King! Bei der Talstation angekommen saß Fritz noch immer an der Theke. Natürlich hatte sich mein furioser Sieg schnell bis hierher rumgesprochen, denn als ich hereinkam, brandete Applaus auf, und der Wirt schob mir sofort ein Siegergetränk rüber. Nur mein Chauffeur schwieg betreten. Ein paar Stunden (und Gläser) später durfte er dann den Sieger des Alberschwender Riesentorlaufs nach Hause fahren.
Auch diese Geschichte landete in meinem Schatzkästchen und betonierte meinen Ruf als Draufgänger; ich war längst selbst zu einer prominenten Persönlichkeit geworden. Und jede weitere halsbrecherische Aktion trug zur Legendenbildung bei. Ich forderte das Schicksal immer wieder heraus. Und wenn ich dann zum x-ten Male zu
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