Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
St. Anton wurde Austragungsort! Die Skiweltmeisterschaft 2001 fand in Österreich statt – ein großartiger Erfolg für Tirol, über den ich mich sehr gefreut habe!
Im Laufe der Jahre hatte ich mir zunehmend Respekt und Anerkennung erworben und die Skischule immer mehr nach meinen Vorstellungen geformt. Auch geschäftlich lief es außerordentlich gut, meine Frau hielt mir in Pension und Restaurant den Rücken frei, so dass ich mich ganz und gar meiner Skischule widmen konnte. Einige Dinge hatten sich jetzt tatsächlich auch für mich persönlich geändert.
Morgens um halb acht Uhr ging ich ins Büro, teilte die Gruppen ein, und dann schlüpfte ich selber in die Skiklamotten. Bevor ich mit meinen Stammgästen auf die Piste ging, half ich meinen Mitarbeitern bei den Vorbereitungen ihrer Kurse, und dann wurde der Sammelplatz für Kinder und Erwachsene auf Vordermann gebracht. Mehrere Skilehrer und auch ich trafen uns morgens, nach getaner Arbeit, zum Stangentraining, ein Ritual, das unsere Kameradschaft festigte und unsere Vitalität stärkte. Täglich steckte ich diesen Lauf neu aus. Dafür stand uns eine permanente Rennstrecke zur Verfügung, und jeder Skilehrer konnte seine persönliche Bestzeit ablesen, woraus wir oft und gerne einen Wettbewerb machten, bei dem der Letzte dem Ersten ein Bier ausgeben musste. Und wen wunderts, wenn ich am Nachmittag gegen halb sechs nach getaner Arbeit zum Après-Ski ins »Pilsstüble« kam, stand da jedes Mal mein Sieger-Bier …
Doch mein Alkoholkonsum hatte sich erheblich verringert, Nächte wie in alten Zeiten hätte ich mir nicht mehr leisten können. Denn ich war bei weitem nicht der große Boss, der nur im Büro saß und delegierte. Ich musste schon noch selber ran. Meine Stammgäste hatten nach wie vor großen Spaß mit mir, schließlich hatte ich mich ja nicht verändert. Für den großen Auftritt war ich immer noch zu haben. Es gab wohl keinen anderen Skilehrer (oder Skischulleiter), der mit einem orangefarbenen Lamborghini seine Runden drehte. Im Sommer wohlgemerkt, im Winter ist es unmöglich bei uns mit so einem Geschoss zu fahren. Nein, ich war nicht handzahm geworden! Ich war nach wie vor der »König der Albona«, und auf meine Arbeit als Skilehrer wollte ich nicht verzichten, dafür liebte ich meinen Beruf zu sehr.
Wenn ich mit meiner Gruppe bei fantastischem Tiefschnee die wunderbaren Hänge fuhr, war das immer ein unbeschreibliches Erlebnis. Ich zelebrierte mit ihnen das sogenannte »Spur an Spur fahren«: Die erste Spur legte ich vor, der nächste setzte die Spur einen Meter neben meiner, und so kam jeder meiner Teilnehmer in den Genuss einer wunderschönen Tiefschneeabfahrt. Aber wehe, einer fuhr nicht Spur an Spur, da konnte man mich kilometerweit schimpfen hören. Es gibt doch nichts Schöneres als das vollkommene Spurenbild einer Gruppe im glitzernden Tiefschnee, die im gleichen Rhythmus und in einer Linie hinter ihrem Lehrer herfährt. Deshalb darf man da nicht einfach kreuz und quer drüberfahren, so eine Unordnung im jungfräulichen Schnee kann ich bis heute nicht ertragen!
Mit mir in dem Gelände war es nach wie vor nie langweilig, und meine Schüler mussten immer mit einem kleinen Spaß oder Unfug rechnen. So bremste ich schon mal abrupt ab, wohl wissend, dass mein Hintermann nicht mehr würde bremsen können, und ließ ihn absichtlich über eine Wechte (auf einem Grat vom Wind verblasene überhängende Schneemasse) springen – natürlich nur, wenn es ungefährlich war! Wenn wir die Abfahrt Richtung Langen nahmen, hingen regelmäßig einige in den Bäumen, ein Drittel der Strecke führt durch einen Wald, in dem man Slalom um die Bäume fahren musste. Das gelang eben nicht jedem, und das Gelächter war jedes Mal groß. Ich machte Grätschsprünge und gab natürlich gerne meine berühmten Salti zum Besten. Nur die Einkehrschwünge nahmen ab, der Vernunft gehorchend, denn am Nachmittag musste ich im Büro die liegengebliebenen und neu angefallenen Arbeiten erledigen. Erst gegen 17.30 Uhr ging ich rüber ins »Pilsstüble«, wo meine Skilehrer schon darauf warteten, mit mir ein Feierabendbier zu trinken – und hier wurden dann eben auch Sorgen und Nöte besprochen. Wirklich Feierabend hatte ich nie. Ein Chef muss immer ein offenes Ohr für seine Leute haben.
Nach solchen ungezwungenen Personalgesprächen ging ich hoch, und nach einem kurzen Schläfchen stand ich am Abend wieder hinter der Theke, damit meine Frau sich um die Kinder, den Haushalt und
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