Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
einfinden würden, denn je näher ich kam, umso schlimmer sah die Szenerie aus. Dort spielten sich entsetzliche Dramen ab: Für einen Mann kam jede Hilfe zu spät. Er war bereits tot. Karl, der Schlosser, war schwer verletzt und dem Bauleiter Wuchti hatte ein schwerer Holzbalken den Brustkorb eingedrückt. Ich trat auf die Gruppe zu, warf einen Blick auf den Leichnam und schluckte. Toni, ein Elektriker aus Wolfsberg in Kärnten, war ein geselliger junger Mann gewesen, der oft im »Pilsstüble« mit seiner Trompete für Unterhaltung gesorgt hatte. Nun lag er in diesem eisigen Grab. Seine Kollegen hatten ihn von den Schneemassen befreit, aber es war zu spät. Die anderen, ca. 40 Personen, waren mit dem Leben davongekommen. Offenbar hatte die Lawine sie im Schlaf überrascht, und nun beklagten sie laut den Verlust ihres Freundes und Kollegen. Ich zog einen nach dem anderen zur Seite und tröstete sie.
Mein Funkgerät knarrte: »Willi? Wie ist die Lage dort oben?« Ich berichtete von einem Toten und den zwei Schwerverletzten und gab meine Wettereinschätzung durch: »Hier oben klart es ein wenig auf, die Hubschrauber könnten jetzt kommen.«
Bei dieser Personenanzahl brauchten wir auf jeden Fall zwei, und nach ein paar Minuten hörte ich auch schon das Rattern der Rotoren. Für kurze Zeit sah ich die Suchscheinwerfer eines Hubschraubers, dann war er plötzlich verschwunden. Ich starrte auf die Stelle, und mit Entsetzen sah ich die rasch aufziehende Nebelbank. Zwei Helikopter im Nebel, völlig orientierungslos. Das war lebensgefährlich. Neben diesem schrecklichen Lawinenunglück drohte nun ein zweites. Die beiden Maschinen schossen aus dem Nebel heraus, und für eine Sekunde schloss ich in Erwartung eines schrecklichen Knalls die Augen, aber nichts passierte. Haarscharf flogen die beiden aneinander vorbei und auf uns zu. Der Nebel zog höher, die Wolkendecke riss noch einen Stück weiter auf, und ich schickte zum Dank ein Stoßgebet gen Himmel.
Als die beiden gelandet waren, sah man den Piloten den Schreck an der blassen Nasenspitze an, aber keiner verlor ein Wort darüber. Man musste die armen Menschen nicht noch mehr beunruhigen. Sie hatten in dieser Nacht schon genug mitgemacht. Dann ging alles ganz schnell: Die komplette Mannschaft und ihr toter Kollege wurden nach Klösterle geflogen, da die Straßensperre noch nicht aufgehoben war. Auch ich musste den Weg zurück nicht zu Fuß bewältigen, denn der Pilot setzte mich in Stuben ab.
An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Auch im Leben eines bunten Hundes gibt es einschneidende Erlebnisse, und dies war eines davon. Das Erlebte hatte mich sehr aufgewühlt, aber trotzdem musste ich ein paar Stunden später wieder in der Skischule sein, um die Lawinensituation in Stuben mit dem Bürgermeister, der Polizei und meinen Kollegen zu besprechen.
Schöne Bescherung
Freud und Leid, Glück und Unglück, Fluch und Segen sind oft nur Millimeter oder Sekunden voneinander entfernt. In einem kleinen, engen Tal wie Stuben kann sich die Situation rasend schnell verändern: Gerade noch ein Schneeparadies im Sonnenschein verwandelt es sich in Windeseile in eine Hölle. Die Hälfte des Jahres ist hier Winter, und wir profitieren von guten Schneeverhältnissen, denn das sichert unser Einkommen. Aber zu viele Niederschläge und ein schneereicher Winter können großen Schaden anrichten. Auf das richtige Maß kommt es an, doch darauf nimmt die Natur leider keine Rücksicht. Nur in den wenigen Monaten der Zwischensaison können wir in unserem Dorf die nötigen Arbeiten wie Renovierungsarbeiten, Straßen- und Häuserbau bewerkstelligen, wenn dann der Winter schon Anfang November über uns hereinbricht, haben wir ein Problem:
Nach einer weiteren erfolgreichen Sommersaison fuhren wir nicht wie gewohnt in die Ferien, sondern krempelten die Ärmel hoch, denn ein Umbau unseres Lokals stand auf dem Plan. Unsere Kneipe war einfach zu beliebt und daher zu klein geworden. Wir wollten Bar und Küche vergrößern, die Toiletten renovieren und vor allem eine gut funktionierende Lüftungsanlage einbauen. Die notwendigen Arbeiten begannen im September, und zur Eröffnung der Wintersaison wollten wir fertig sein. Unsere Gäste sollten ja nicht auf einer Baustelle Urlaub machen, das konnten wir niemandem zumuten und uns auch nicht erlauben. Nach vier Monaten würde alles wieder in neuem Glanz erstrahlen.
Doch schon im November gab es viel mehr Schnee als sonst, was unseren Zeitplan ein wenig
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