Ab die Post
des großen Saals.
Glücklicherweise bekam er keine Antwort, aber irgendwo unter dem Dach kratzte etwas.
»Wir haben geschlossen«, verkündete Stanley mit zittriger Stimme. »Aber morgen früh um sieben machen wir wieder auf, verkaufen Briefmarken und nehmen Post für Pseudopolis entgegen.« Er runzelte die Stirn und versuchte, sich an das zu erinnern, was ihm Herr Lipwig gesagt hatte. »Denk dran, wir sind vielleicht nicht die Schnellsten, aber wir kommen immer an. Warum schreibst du nicht deiner alten Oma?«
»Ich habe meine Großmutter gefressen«, knurrte es hoch oben in der Finsternis. »Ich habe ihre Knochen abgenagt.«
Stanley hüstelte. Sein Verkaufsgeschick hatte Grenzen.
»Äh«, sagte er. »Äh… vielleicht könntest du einer Tante schreiben?«
Er rümpfte die Nase. Warum roch es nach Lampenöl? »Hallo?«, fragte er noch einmal.
Etwas fiel aus dem Dunkeln, prallte von Stanleys Schulter ab und landete mit einem feuchten Pochen auf dem Boden. Der Junge bückte sich, tastete umher und fand eine Taube. Besser gesagt: Er fand etwa eine halbe Taube. Sie war noch warm und sehr klebrig.
Herr Gryle saß auf einem Balken hoch über dem Saal. Sein Magen schien in Flammen zu stehen.
Leider ließen sich alte Angewohnheiten nur schwer überwinden. Sie steckten in den Knochen. Etwas Warmes und Fedriges flatterte vor einem, und natürlich schnappte man danach. In Ankh-Morpork saßen Tauben auf allen Dachrinnen, Simsen und Statuen. Nicht einmal die ortsansässigen Wasserspeier konnten ihre Zahl mindern. Gryle hatte sechs vertilgt, bevor er durch die zerbrochene Kuppel hereingeflogen war, und dann hatte sich eine weitere große, warme und fedrige Wolke vor ihm gebildet, und vor seinen Augen war ein roter Dunst entstanden.
Sie waren so schmackhaft. Man konnte sich einfach nicht mit einer begnügen! Und fünf Minuten später wurde man daran erinnert, warum man sich besser zurückgehalten hätte.
Es waren wild lebende, urbane Vögel, die sich von den Dingen ernährten, die sie auf den Straßen fanden. Auf den Straßen von Ankh-Morpork. Es waren nickende, gurrende Seuchengruben. Genauso gut konnte man einen Hundescheiße-Burger essen und ihn mit einem halben Liter Jauche herunterspülen.
Herr Gryle stöhnte. Am besten wär’s, den Auftrag sofort zu erledigen, diesen Ort zu verlassen und sich über einer belebten Straße zu übergeben. Er ließ die Ölflasche in die Dunkelheit fallen und tastete nach den Streichhölzern. Seine Spezies hatte das Feuer spät für sich entdeckt, da Nester so leicht brannten, aber es war durchaus nützlich…
Eine Flamme züngelte hoch oben am anderen Ende des Saals. Sie fiel und landete auf einem Briefhaufen. Es machte Wummp!, als das Öl in Brand geriet, und blaue Rinnsale aus Feuer kletterten die Wände hoch.
Stanley sah nach unten. Nur etwa zwei Meter entfernt, erhellt vom Feuer, das über die Briefe kroch, lag jemand auf dem Boden und neben ihm die goldene Mütze.
Stanley sah auf, und seine Augen glühten rot im Schein des Feuers, als ihm eine Gestalt von den Dachsparren mit offenem Maul entgegenstürzte.
Und dann ging alles schief für Herrn Gryle, denn Stanley hatte einen seiner Kleinen Momente.
Es war alles eine Frage der Einstellung. Feucht hatte sich eingehend damit befasst. Einige Vertreter des alten Adels hatten eine Einstellung. Sie bestand aus der völligen Abwesenheit des Zweifels, dass sich die Dinge so entwickelten, wie sie es erwarteten.
Der Oberkellner führte sie ohne zu zögern zu ihrem Tisch.
»Kannst du dir das wirklich leisten, mit einem Beamtengehalt, Herr Lipwig?«, fragte Fräulein Liebherz, als sie Platz nahmen. »Oder verlassen wir das Restaurant durch die Küche?«
»Ich glaube, ich verfüge über adäquate finanzielle Mittel«, sagte Feucht.
Das war wahrscheinlich nicht der Fall, musste er sich eingestehen. In einem Restaurant, das selbst für den Senf einen Kellner hat, sind die Preise so hoch, dass man schwindelig werden kann. Aber derzeit machte sich Feucht keine Sorgen um die Rechnung. Es gab gewisse Möglichkeiten, mit Rechnungen fertig zu werden, und es war auf jeden Fall angenehmer, wenn man dabei einen vollen Magen hatte.
Sie bestellten eine Vorspeise, die vermutlich mehr kostete, als eine durchschnittliche Person in einer guten Woche für Lebensmittel ausgab. Es hatte keinen Sinn, auf der Speisekarte nach dem billigsten Gericht zu suchen. Das billigste Gericht existierte rein theoretisch, aber so genau man auch hinsah, man
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