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Ab die Post

Ab die Post

Titel: Ab die Post Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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auf dem Trensengebiss. Feucht ließ sich davon nicht täuschen. Wenn ein Pferd wie Boris ruhig war, dann nur deshalb, weil es etwas plante.
    »Herr Pumpe, wenn du mir bitte nach oben helfen könntest…«, sagte Feucht und hängte sich den Postbeutel um den Hals.
    »Ja, Herr Lipwick«, erwiderte der Golem.
    »Herr Lipwig!«
    Feucht drehte sich um und sah Sacharissa Kratzgut mit dem Notizbuch in der Hand über die Straße eilen.
    »Es ist mir immer eine Freude, dich zu sehen, Sacharissa«, sagte Feucht, »aber derzeit habe ich ziemlich viel zu tun…«
    »Weißt du, dass der Große Strang erneut ausgefallen ist?«, fragte sie.
    »Ja, es stand in der Zeitung. Ich muss jetzt…«
    »Du forderst also die Klackergesellschaft heraus?« Der Stift wartete über dem Notizbuch.
    »Ich stelle nur die Post zu, Fräulein Kratzgut, wie angekündigt«, erwiderte Feucht auf feste, männliche Art.
    »Aber es ist doch seltsam, dass ein Mann auf dem Rücken eines Pferds zuverlässiger ist als…«
    »Bitte, Fräulein Kratzgut! Wir sind das Postamt!«, sagte Feucht mit seiner besten moralisierenden Stimme. »Kleinliche Rivalität liegt uns fern. Wir bedauern zu hören, dass unsere Kollegen von der Klackergesellschaft derzeit Probleme mit ihren Apparaten haben, ihrer Notlage begegnen wir mit Anteilnahme, und wenn sie möchten, dass wir ihre Mitteilungen überbringen, so verkaufen wir ihnen gern Briefmarken, bald lieferbar im Wert von einem Cent, zwei Cent, fünf Cent, zehn Cent und einem Dollar, erhältlich immer hier im Postamt, bereits gummiert. Übrigens haben wir vor, der Gummierung den Geschmack von Lakritze, Orange, Zimt und Banane zu geben. Erdbeergeschmack kommt nicht infrage, denn ich kann Erdbeeren nicht ausstehen.«
    Er sah, wie sie lächelte, als sie das aufschrieb. Dann sagte sie: »Habe ich richtig gehört? Du bietest an, Klackernachrichten zu überbringen?«
    »Ja. Aktuelle Nachrichten kann ich an den Klackerturm in Sto Lat weiterleiten. Hilfsbereitschaft ist unsere hervorstechende Eigenschaft.«
    »Bist du sicher, dass du das nicht mit ›Frechheit‹ verwechselst?«, fragte Sacharissa, woraufhin die Menge lachte.
    »Ich bin sicher, dass ich dich nicht verstehe«, sagte Feucht. »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest…«
    »Du zeigst den Klackerleuten erneut eine lange Nase?«, fragte die Reporterin.
    »Oh, das muss ein journalistischer Begriff sein«, erwiderte Feucht. »Meine Nase ist nie länger gewesen als jetzt, und ich wüsste nicht, wie ich sie wachsen lassen sollte. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest… Ich muss Post zustellen und aufbrechen, bevor Boris jemanden niedertrampelt. Erneut.«
    »Eine letzte Frage. Nimmt deine Seele ungebührlichen Schaden, wenn Otto ein Bild von deinem Aufbruch macht?«
    »Ich kann dich vermutlich nicht daran hindern. Solange mein Gesicht nicht zu deutlich zu erkennen ist…«, sagte Feucht, als Herr Pumpe die Hände so hielt, dass er auf sie treten und aufs Pferd steigen konnte. »In diesem Punkt versteht der Priester keinen Spaß.«
    »Muss ein recht humorloser Priester sein«, sagte Fräulein Kratzgut mit einer gehörigen Portion kursiver Ironie. »Und so wie das Pferd aussieht… Vielleicht ist es unsere letzte Chance, ein Bild von dir zu machen. Es scheint der Tod auf vier Beinen zu sein, Herr Lipwig.«
    Die Menge wurde still, als Feucht aufstieg. Boris tänzelte nur ein wenig zur Seite.
    Sieh es mal so, dachte Feucht. Was hast du zu verlieren? Dein Leben? Du bist bereits gehängt worden. Du lebst in geborgter Zeit. Und du hinterlässt bei allen einen starken Eindruck. Warum kaufen die Leute Briefmarken? Weil du ihnen eine Schau bietest…
    »Sag einfach, wenn du so weit bist«, brummte einer von Hobsons Männern und zog an seinem Seil. »Wenn wir ihn loslassen, bleiben wir gewiss nicht hier stehen!«
    »Einen Moment…«, sagte Feucht rasch.
    Er hatte vorn in der Menge eine Gestalt bemerkt. Sie trug ein eng anliegendes graues Kleid, blies eine neurotische Rauchwolke gen Himmel, sah ihn an und zuckte mit den Schultern.
    »Essen wir heute Abend, Fräulein Liebherz?«, rief er.
    Köpfe drehten sich. Leises Lachen erklang, auch einige Hurrahs. Die junge Frau warf ihm einen Blick zu, der seine Silhouette und rauchende Überreste an der gegenüberliegenden Wand hätte zurücklassen müssen, dann nickte sie knapp.
    Man konnte nie wissen, vielleicht lagen Pfirsiche darunter…
    »Lasst ihn los, Jungs!«, sagte Feucht mit fliegendem Herzen.
    Die Männer sprangen zurück.

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