Ab die Post
zwischen den beiden Städten stand ein alter steinerner Turm inmitten von Ruinen, umgeben von Waldland. Er war fast so hoch wie ein Klackerturm, und Feucht fragte sich, warum man ihn nicht benutzt hatte. Vielleicht war er so verfallen, dass er mit dem Gewicht der Klappen keinem Sturm standhalten konnte. Der Ort wirkte öde, eine Stelle mit Unkraut überwucherter Wildnis inmitten endloser Felder.
Wenn Sporen ein Teil von Feuchts Ausrüstung gewesen wären, hätte er Boris jetzt angetrieben – und wäre dafür vermutlich abgeworfen, zertrampelt und gefressen worden. { * } Stattdessen beugte er sich zum Hals des Hengstes hinab und versuchte, nicht daran zu denken, was der Ritt mit seinen Nieren anstellte.
Zeit verging.
Der zweite Klackerturm strich vorbei, und Boris begann mit einem Kanter. Sto Lat war jetzt in Sicht: Feucht sah die Stadtmauer und die Türmchen des Schlosses.
Er musste abspringen; es gab keine andere Wahl. Während die Stadtmauern immer näher kamen, erwog er mehrere Möglichkeiten, die fast alle Heuhaufen beinhalteten. Die Variante ohne Heu bescherte ihm ein gebrochenes Genick.
Es schien Boris nicht in den Sinn zu kommen, zur Seite auszuweichen. Er befand sich auf einer Straße, die Straße war gerade, sie führte durch ein Tor, und damit hatte Boris keine Probleme. Außerdem wollte er etwas trinken.
In den Straßen der Stadt wimmelte es von Dingen, über die man nicht hinwegspringen konnte, und es gab einen Pferdetrog. Nur am Rande nahm Boris zur Kenntnis, dass etwas von seinem Rücken fiel.
Sto Lat war keine große Stadt. Feucht hatte einmal eine vergnügliche Woche in ihr verbracht, einige Blüten verteilt, zweimal die Nummer mit dem bedürftigen Erben abgezogen und beim Verlassen der Stadt einen Glasring verkauft, nicht wegen des Geldes, sondern aufgrund seiner permanenten Faszination angesichts der menschlichen Verschlagenheit und Leichtgläubigkeit.
Von einer Menge beobachtet, wankte er nun die Treppenstufen des Rathauses hinauf, drückte die Tür auf und knallte den Postbeutel auf den ersten Schreibtisch.
»Post aus Ankh-Morpork«, knurrte er. »Um neun eingesammelt. Ist also frisch, klar?«
»Aber es ist doch erst Viertel nach zehn!«, erwiderte der Mann am Schreibtisch. »Welche Post?«
Feucht versuchte, nicht zornig zu werden. Er war auch so schon wund genug.
»Siehst du diese Mütze?«, fragte er und deutete darauf. »Siehst du sie? Sie bedeutet, dass ich der Postminister von Ankh-Morpork bin! Dies ist unsere Post! In einer Stunde kehre ich zurück, verstanden? Wenn du möchtest, dass Post in der großen Stadt zugestellt wird, um zwei Uhr heute Nachm… Autsch! Um drei Uhr heute Nachmittag…. dann leg sie in diesen Beutel. Das hier…« Er winkte mit einem Bündel Briefmarken unter der Nase des Mannes. »… sind Briefmarken! Die roten kosten zwei Cent, die schwarzen einen. Der Preis für die Beförderung beträgt zehn – au! – elf Cent pro Brief, kapiert? Du verkaufst die Briefmarken, du gibst mir das Geld, du befeuchtest die Marken und klebst sie auf die Briefe! Expresszustellung garantiert! Ich mache dich für eine Stunde zum geschäftsführenden Postmeister. Ich habe ein Gasthaus in der Nähe gesehen und werde dort ein Bad nehmen. Ein kaltes Bad. Richtig kalt. Habt ihr hier ein Eishaus? So kalt. Noch kälter. Ooooh, kälter. Und ich möchte was trinken und was essen, und außerdem läuft da draußen ein großer schwarzer Hengst herum. Bitte fangt ihn ein, sattelt ihn, legt ein Kissen auf den Sattel und dreht ihn so herum, dass der Kopf in Richtung Ankh-Morpork weist. Na los!«
Es war nur ein Sitzbad, aber wenigstens gab es ein Eishaus in der Stadt. In einem Zustand von Glückseligkeit saß Feucht da, umgeben von schwimmendem Eis, trank einen Brandy und hörte, wie draußen ein Aufruhr begann.
Nach einer Weile klopfte jemand an die Tür, und die Stimme eines Mannes fragte: »Kann ich hereinkommen?«
»Das solltest du eigentlich selbst am besten wissen«, sagte Feucht. Er griff nach seiner Mütze und setzte sie auf. »Wenn du hereinkommen kannst, so komm herein.«
Der Bürgermeister von Sto Lat erwies sich als kleiner, vogelartiger Mann. Entweder war er Nachfolger eines recht großen und dicken Mannes geworden, oder er hielt eine Amtstracht, die über den Boden strich, und eine bis zur Hüfte reichende Kette in diesem Jahr für die Mode städtischer Würdenträger.
»Äh… Karli Kamel, Herr«, sagte er nervös. »Ich bin hier der Bürgermeister…«
»Wirklich?
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