Ab ins Bett!
mein übliches Abgewiesener-Junge-Beleidigtsein zu fallen, ja, so strikt habe ich mir das verboten, wie es mir nie eingefallen wäre, hätte Dina irgendwelche anderen Gründe für ihre fortgesetzte Abstinenz angeführt. Ich habe mich sogar bemüht, sie zu beruhigen und voller Mitgefühl ihren Ängsten wegen Unfruchtbarkeit und Entzündungen zuzuhören; aber — und es ist ein großes, wenn auch sehr unreifes Aber - das geht (habe ich es schon erwähnt?) jetzt schon drei Wochen so!
»Na gut«, sage ich und rolle von ihrem Bauch. »Wirklich, ist in Ordnung. Wenn du nicht willst, dann machen wir’s nicht.«
Das darauf folgende Schweigen wird nur hin und wieder durch Seufzen und Stöhnen von meiner Bettseite her unterbrochen. Ich spüre eine warme Hand auf meinem dramatisch abgewandten Rücken.
»Gabriel, es tut mir leid«, sagt Dina und guckt, wie ich annehme, zur Decke hoch. »Ich weiß, es geht jetzt schon ziemlich lange so. Aber ich kriege immer noch diese schrecklichen Bauchschmerzen.«
»Okay«, murmele ich, als wäre ich schon halb eingeschlummert, so wenig macht mir das was aus.
»Tu nicht so, als ob du schläfst.«
»Ich tue nicht so.«
Jetzt ist es Dina, die stöhnt und seufzt.
»Ich hol dir einen runter, wenn du willst«, sagt sie.
»Ist schon gut«, murmele ich schnell, obwohl ich mir das für alle Fälle merke.
»Es tut halt weh, wenn du in mir bist.«
»Ich hab doch gesagt, es ist in Ordnung.« Ein Teil in mir will es plötzlich mit Miles Traversi aufnehmen, aber es ist mein schlechtester Teil.
»Worüber hast du auf der Beerdigung mit Ben geredet? Als ihr über den Friedhof lieft?«
»Was, jetzt willst du reden?«
»Ja. Wieso nicht? Sprichst du nicht mehr mit mir, weil ich nicht mit dir schlafen will, weil mir der Bauch weh tut?«
Test läuft. Test läuft.
»Nein«, sage ich und drehe mich um, »weil es zwei Uhr morgens ist.«
»Und? Vor einer Minute hattest du nichts dagegen, mindestens noch...«, sie macht eine Pause, »drei Minuten wach zu bleiben.«
»Ha ha.«
»Und überhaupt — seit wann ist zwei Uhr morgens spät für dich?«
»Du mußt schließlich morgen arbeiten.«
»Noch was, worüber du dir vor einer Minute noch keine Gedanken gemacht hast.«
Ich weiß, wenn ich geschlagen bin. Mein Arm streift über ihre Brüste, als ich hinüberreiche und die Nachttischlampe anknipse.
»Wie war die Frage noch mal?« sage ich und blinzele sie an.
»Worüber hast du mit Ben auf der Beerdigung gesprochen?«
»Das war vor zwei Tagen!«
»Na, es fiel mir eben erst wieder ein.«
Mir nicht. Ich habe lange und gründlich darüber nachgedacht, im wahrsten Sinne des Wortes. In meinen vielen freien Momenten flackerten bis zu einem gewissen Grad meine alten begierigen Gedanken an Alice wieder auf, an ihr Gesicht, ihren Köper, neu war allerdings, daß ich mich jetzt sozusagen mit auf dem Bild fühlte, nicht bloß als der, der die Fantasiekamera hielt. Bis zu einem gewissen Grad: Denn obwohl ich nach Bens Geständnis ein oder zwei Minuten brauchte, mich wieder zu fangen, haben jetzt meine Gefühle für Dina wieder Oberhand, sind frisch poliert auferstanden und die ständige Musikuntermalung meiner Gedanken. Vielleicht haben Bens Neuigkeiten sowieso weniger meine Alice-Fantasien neu aufflackern lassen, als mich dazu gebracht, über Ben nachzudenken. Ich meine, wir alle wissen, daß sogar die von uns streunen, die die begehrenswertesten Partner haben. Sehnsucht wird schließlich durch Unerreichbares, Neues und Entdeckerfreude geschürt — ein Tatbestand, der das Gesetz des abnehmenden Ertrags wohl am deutlichsten demonstriert: Einer Diamantenmine geht das Erz genauso schnell aus wie einer Zinnmine. Aber ich glaube nicht, daß das für Ben zutrifft, auch wenn ich es ihm an Brian Flans Grab vorgeworfen habe. Ich glaube, es hat eher mit seiner Fragebogenmentalität zu tun, seiner Art, Frauen auszuwählen, indem er ihre Vorzüge auf seiner Maßstabsliste abhakt. Vielleicht war er gar nicht auf der Suche nach Vollkommenheit, wie ich immer geglaubt habe, sondern im Gegenteil: Er hat nach Mängeln gesucht — nach einem Grund, weiterzusuchen. Doch dann kam Alice daher, und sie war vollkommen, und so mußte er die Suche einstellen, bis ihm plötzlich einfiel, daß sie in einem Punkt nicht genügte, ihr eine Qualifikation fehlte, die sie nie erringen konnte — Jüdischsein -, und daran biß er sich fest, weil kein Weg daran vorbeiführte.
»Ach nichts«, sage ich. »Fußball.«
Dina guckt mich
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