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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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verdammtnochmal ernst, aber obwohl ein feuchter Schimmer in Dinas Augen tritt, schüttelt sie den Kopf, und ihr Gesicht sagt: Vergiß es!
    »Nein«, murmelt sie. »Denn die Gene seiner Tante kann man nicht erben.«
    »Und Miles?«
    »Er ist tot.«
    »Es wird aber immer noch Wirbel wegen der Sache geben.«
    Sie lächelt. »Gabriel, ein paar Leute sind umgekommen. In Amerika. Das Ganze ist seit Monaten vergessen.«
    Ich sehe zu ihr auf, wie sie in ihrem Hahnentrittmantel dasteht und auf dem Sprung ist. Ich merke, sie hat ihren Entschluß gefaßt. Sie beugt sich herab und küßt mich auf die Wange, und auch ich küsse sie auf die Wange. Ein Wangenkuß gilt normalerweise als Schlußakt einer Beziehung, als Signal, daß der Mund jetzt Tabuzone ist, aber ich will Dina auf die Wange küssen, dahin, wo soviel meiner Haut soviel wie möglich von ihrer berührt, wo ich mein Gesicht an ihres pressen kann und unsere Wangen verschmelzen, damit ich mich mit Erinnerungen an ihre Weichheit vollsaugen kann wie ein Mann, der gleich unter Wasser taucht, mit Luft. Und als Dina ihr Gesicht auch an meins preßt, verschwindet für eine Sekunde das Hunger, Chalk Farm, London, die ganze Welt, und nur noch ihre Haut existiert. Dann löst sich ihr Gesicht, und als ich die Augen öffne, ist sie schon an der scheppernden Tür und tritt auf die Straße.
    Im ersten Moment will ich ihr nachlaufen, aber als sich die Tür hinter ihr schließt, geht eine andere einen winzigen Spalt auf, und ich höre das ferne Getöse des wiedereröffneten Markts der Zukünfte und Möglichkeiten. Denn auch wenn ein Teil von mir, der, von dem ich gerade herumschwadroniert habe, weinen will, ganz jämmerlich weinen will, wägt ein anderer schon ab, was meine neugewonnene Freiheit auf dem Hintergrund der Veränderungen zwischen Ben und Alice bedeutet. Und so laufe ich Dina nicht nach, ich bestelle mir noch einen Kaffee und sitze da, schrumpfe aus dem ganzen geistigen Wachstum heraus, mit dem ich eben geprahlt habe, pendele und schwanke und bin widersprüchlich wie der Kuß eines Vergewaltigers.

23

    »Wollen wir doch mal hören, was deine Mutter Schönes gekocht hat. Irene?«
    »Dein Lieblingsessen, Schatz. Einen großen Topf Schmo-Schmor — mit Huhn!«
    »Na, prima. Ich kann’s kaum abwarten.«
    »Wirst du aber müssen.«
    Ist das mein Zuhause? 22 Salmon Street ist an diesem Freitag abend von einer völlig fremden Atmosphäre häuslichen Friedens und gediegener bürgerlicher Behaglichkeit erfüllt. Ich komme mir vor, als wäre ich in einen Werbespot reinspaziert.
    »Was ist denn hier los?« frage ich meinen Vater so leise, daß man mich nicht bis in die Küche hört. Ich will ihm die Chance geben, mir das Rätsel zu verraten, aber er guckt mich so verständnislos an, als sei die Möglichkeit, daß er je ein freundliches Wort zu meiner Mutter sagt, nicht dick in ihrem Ehevertrag durchgestrichen.
    »Was zu trinken, Gabriel?«, fragt er, nachdem meine Frage in der Luft verdorrt ist.
    »O ja bitte, gern«, sage ich, ehe ich innerlich zusammenzucke und mir einrede, ich hätte es ironisch gemeint, was ich natürlich habe: daß mein Dad auf höflich macht, brachte mich bloß eine Sekunde völlig aus dem Konzept. Er geht hinüber zu der scheußlichen 1970er Hausbar, die aussieht wie aus den 5oern, und öffnet sie an dem Goldgriff.
    »Scotch? Gin Tonic? Wodka? Wein? Im Kühlschrank haben wir aber auch Unalkoholisches...«
    »Wein bitte...«
    »Roten oder weißen?«
    »Roten«, sage ich mißtrauisch. Als er eine Flasche und ein blaues Rauchglas aus der Bar holt, kommt meine Mutter rein, von der Taille abwärts in eine Schürze gewickelt, auf der das Mittelstück der Hindenburg zu sehen ist.
    »Tag, Fremder!« sagt sie und küßt mich auf die Wange. Ich glaube, auch wenn ich hier einzöge und den ganzen Tag wie ein Cockerspaniel hinter ihr her durchs Haus trottete, würde meine Mutter immer noch so tun, als hätte ich mich Ewigkeiten nicht blicken lassen. »Na, und was machst du die ganze Zeit so?«
    »Nicht viel.«
    »Ach komm! Wie ich höre, sind deine Kolumnen in Bens Blatt ein regelrechter Knüller.«
    »Ja«, sagt mein Vater und reicht mir das Glas, »Ben ist hochzufrieden, daß die Sache sich so gut anläßt.«
    Wirklich, was geht hier vor? Daß mein Vater meine Mutter nicht verflucht, ist schon verwirrend genug, aber daß er jetzt auch noch väterlichen Anteil an meiner Karriere nimmt, grenzt schon ans Läscherlische.
    »Und Tina? Wie geht’s ihr?«
    »Dina, Liebling...

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