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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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erzählt habe. Ihre Fragen kommen mir wie Inzest vor. Ich sage, mit hartem Gesicht und harter Stimme: »Hör zu, es hat keinen Sinn, dir viel von ihr zu erzählen. Wenn was daraus wird, lernst du sie schon kennen. Ansonsten ist es reine Zeitverschwendung.«
    Sie schlägt die Augen nieder, verletzt. Ich bin viel zu grob mit meiner Mutter — das fällt mir in letzter Zeit oft auf, und ich habe Schuldgefühle. Es ist ein Tick, ein Gen-Tick, den mir mein Dad tief in die DNS eingepflanzt hat. Ich sollte dagegen ankämpfen.
    Ich falle in Sohnesschweigen und sehe mich betreten im Eßzimmer um. Hindenburg-Luftschiff-Modelle in verschiedenster Größe machen sich auf viel zu vielen Regalen breit. Den stolzesten Raum nimmt das ursprünglich von meinem Großvater im Maßstab 1:1000 gefertigte Modell ein, das als Mobile von der Mitte der Decke herunterhängt; es ist eine detailgetreue Nachbildung, bis auf das Fehlen des Hakenkreuzes am Rumpf; als Kind versetzte mich das ständige Gedrehe unter der Decke in Angst und Schrecken. Übrigens, für den Fall, daß Sie sich das fragen sollten: Ich glaube nicht, daß die Obsession meiner Mutter eine phallische Basis hat. Nein, das glaube ich nicht. Wirklich, der Gedanke wäre mir nicht lieb. Abgesehen von allem andern, wäre das zu einfach, irgendwie Freud für Kleinkinder. Zum Teufel mit Freud: diesem ganzen Ödipus-Komplex-Quatsch. In hundert Jahren werden Historiker auf seine Theorie zurückblicken so wie wir auf die mittelalterliche Vorstellung, alles Sein setze sich aus vier Elementen zusammen, Erde, Luft, Feuer und Wasser. Man wird das Ganze für ein zwar drolliges, aber völlig unbrauchbares Instrumentarium für die menschliche Psyche halten.
    »Ich glaube, ich muß jetzt los«, sage ich zu meiner Mutter.
    »Schon? Willst du nicht zum Abendessen bleiben?« fragt sie.
    Ich habe das Gefühl, es ist an der Zeit, auch ein paar gute Seiten meiner Mutter vorzustellen; ihre Kochkunst gehört leider nicht dazu. Meiner Mutter Vorstellung vom Kochen besteht darin, einen enormen Bottich mit Wasser für zwei oder drei Tage auf den Herd zu stellen und hin und wieder ein paar Innereien und zwischendrin die eine oder andere Klaue hineinzuwerfen: Das Ganze schöpft sie dann in tiefe Teller und nennt es Hühnersuppe. Alles andere verkocht sie einfach bis zur Unkenntlichkeit. Kündigt sie ein Steak blutig an, kommt ein zäher, verkohlter Fleischbrocken dabei heraus. Ihre Medium -Version dagegen ist hart wie ein Backstein. Steak gehört allerdings im Grunde nicht zu ihrem Repertoire. Die meiste Zeit kocht sie Geschmortes, denn das schmeckt meinem Dad am besten — Schmo-Schmor nennt meine Mutter dieses Standardgericht liebevoll, nur um sich sagen zu lassen, was für eine inshirngeschissene Hure sie ist. Auch ihre Schmortöpfe haben zwei oder drei Tage auf dem Herd verbracht, so lange, bis jeder bißgroße Brocken darin sämig wie Sand ist.
    »Na ja, wenn ich je mit dem Geschreibsel für Ben fertig werden will...«, sage ich und stehe auf.
    »Hast du dir schon mal überlegt, dir eine, wie ich’s nenne, >Textverarbeitung< anzuschaffen?« (Noch so eine Angewohnheit von ihr — sich einzubilden, absolut geläufige Ausdrücke seien ein Spezialwissen von ihr.)
    »Ich kann mir keinen Textverarbeiter leisten.« Inzwischen habe ich den Mantel an. »Tschüß, Dad!« Ein wortloses Brummen von oben. Wirklich fluchen tut mein Vater nur mit meiner Mutter, aber er scheint das Stadium erreicht zu haben, wo er nicht mehr weiß, wie er auf irgendeine andere Art kommunizieren soll: Wenn es also nicht um meine Mutter geht, brummt er bloß.
    An der Tür küßt sie mich. Während ihr Gesicht sich von meinem löst, fange ich den Blick in ihren Augen auf, in die durch die Verandafenster ein Strahl der untergehenden Wembley Park-Sonne fällt, und durch all meine innere Gereiztheit hindurch fühle ich die Bande des Bluts. Ich sollte mich entschuldigen, denke ich, für alles — meine grausamen, ablehnenden Gedanken, meine Eile, wegzukommen, für meinen Vater, dafür, daß ich nie zuhöre. Es spielt keine Rolle, wie albern dein Leben ist: du hast mich gemacht, ich sollte mehr Achtung haben. Aber es ist ihr Mund, der sich öffnet. Sie wird die Worte für mich aussprechen, und wir werden, ausnahmsweise, einmal offen miteinander geredet haben.
    »Und sei kein jüdisches Postamt!«, sagt meine Mutter. Ich verstehe nie so ganz, was sie damit meint.
    »Nein, nein«, antworte ich für alle Fälle.

4

    Ich habe Dina kennengelernt.

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