Ab ins Bett!
Ja. Sie ist noch im Jet-lag, deshalb ist Alice bei ihr zu Hause geblieben.«
»Gut. Arschloch.«
»Arschloch.«
Zwei Stunden später war ich also immer noch in der Küche. Ich arbeitete ein Diagramm von Unterschieden aus, Alice auf der y -Achse, Dina auf der x-Achse. Ich wollte einschätzen, wieviel Ähnlichkeit ich verkraften könnte. Dann dachte ich: Okay, solange die Stimme dieselbe sündige Grundschwingung hat. Als nächstes bekam ich Panik, daß ich mich bei der erstbesten Gelegenheit verraten könnte. Stellen Sie sich nur folgendes Szenario vor. Dina sieht wie Alice aus. Ich will mit ihr ausgehen. Sie sagt nein. Dann nützt es mir gar nichts, wenn für alle Beteiligten klar auf der Hand liegt, daß im Grunde meines Herzens sowieso Alice gemeint war. Dann klingelte es an der Tür.
Als ich öffnete, bot sich mir folgendes Gemälde: mein Bruder, meine geheime Herzenssehnsucht und eine Art überblendete Version meiner geheimen Herzenssehnsucht. Nehmen Sie das Bild, das Sie sich so weit von Alice gemacht haben, und verändern Sie hier und da ein paar Kleinigkeiten: Verbreitern Sie die Nasenflügel zwei Millimeter, geben Sie den Augen einen Blaustich, kürzen und blondieren Sie das Haar, polstern Sie die Wangen ein wenig aus, schwingen Sie die Mundwinkel sechs Grad nach unten: dann haben Sie Dina. Um ehrlich zu sein, bei den Unterschieden kam mein Herz ins Stolpern. Dina war ein elektrischer Magnet mit einem Norman Collier-Kontaktschalter - es zog mich zu ihr hin, und ich staunte (oh, das Kinn ist runder), es zog mich zu ihr hin, und ich staunte (oh, längere Finger), es zog mich zu ihr hin, und ich schluckte (oh, die Brüste sind kleiner). Dinas Kleidung ließ auf eine Vorliebe fürs Schrille schließen: Während Alice in Jeans und einer Wildlederjacke dastand, trug Dina ein grasgrünes Satinhemd mit riesigen, spitzen Kragenecken, einen durchsichtigen Plastikregenmantel und weiße, knielange Lacklederstiefel mit Plateausohlen.
»Weißt du, Gabe«, sagte Ben, »ich steh wirklich auf deinen Morgenmantel.«
»Danke.«
»Ich dachte, ich guck vorbei und hol den Artikel ab.«
»Tag, ich bin Dina.«
Kleine Männer in meinem Kopf, den Numbskulls in The Beezer sehr ähnlich, gingen an die Arbeit, um Dinas und Alices Stimmen einem technischen Meßverfahren zu unterziehen: Klangfarbe: ähnlich. Höhe: sehr ähnlich. Verhältnis Hauchlaute/Zischlaute: mehr Daten erforderlich.
»Schön, dich kennenzulernen.«
»Ahmmm... ja. Dich auch.«
Okay?
Jaah. Warten Sie.
»Können wir reinkommen?«
»Na klar. Entschuldigt, ich bin grade aufgestanden.«
In der Küche holte ich ein paar Tassen aus der Spüle, um für alle Kaffee zu machen. Douwe Egberts-Espresso. Zerstreut blickte ich auf all die Vorwürfe an der Korkpinwand über der Spüle — Rechnungen, die das ganze Farbspektrum von blau bis rot durchlaufen haben; einige sind sogar an der Schwelle zu einem bisher völlig unbekannten Ton. Festgenagelt kämpfen sie da um ihren Platz zwischen den unzähligen Polaroids von Nick, wo er oben ohne verschiedene blonde Frauen angrinst.
»Sind die Tassen auch sauber?« fragte Ben und läßt sein schweres, aber fettloses Gewicht auf die rissige Resopalplatte des Küchentischs fallen.
»Na klar.«
»Zu Hause hat er nie gespült.«
»Ben, ich habe was geschrieben«, sagte ich und zeigte auf die drei DIN A4-Bögen neben der außer-einer-verschrumpelten-Orange-leeren Fruchtschale. »Es ist noch nicht fertig. Und wahrscheinlich ist es Schrott.«
»Du schreibst für die Zeitschrift?« fragte Dina abwesend, während ihre Augen eine langsame Drehung durch die Küche machten und alles in sich aufnahmen wie ein Beamter vom Gesundheitsamt, der sich gezwungen sieht, einen sehr deprimierenden Bericht zu schreiben.
»Sozusagen. Als Kolumnist. Als Schwätzer.«
»Oh. Und worüber schreibst du?«
»Über Matthew Le Tissier.«
»Wen?«
Ah! Da schnellt die Unterschiedskurve nach oben!
»Er spielt in...«
»Southhampton«, sagte Alice. »Venables wollte ihn nicht aufstellen, weil das Märchen über ihn umgeht, er wäre faul; aber das sieht bloß so aus — in Wirklichkeit hat er in den letzten drei Spielzeiten mehr Tore vorbereitet und geschossen als irgendein anderer Mittelfeldspieler.«
»Was Alice sagt, ist mehr oder weniger die Kurzfassung von
dem, was du hier schreibst.« Ben legte mein Geschreibsel wieder hin.
»Ich weiß.« Ich sah Alice an. »Warum schreibst du eigentlich nicht die Kolumne?«
»Neee. Ich bin sicher, du kannst
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