Ab ins Bett!
eingestellt — und aus irgendeinem Grund ist sie da stehengeblieben. Geht fünf Stunden nach.«
Mannomann! Ich will es nicht glauben. Ich habe über Schlaflosigkeit nachgedacht und nachgedacht. Jede Minute meiner durchwachten Nächte verbrachte ich damit, das Thema auf der Kurbel in meinem Kopf um und um zu drehen — aber auf die Idee bin ich einfach nicht gekommen. Ich bin sprachlos.
»Aber dann hätte Ben ja auch Schlafstörungen, oder nicht?« sagt Alice und sieht ihn an, »dabei schläft er wie ein Baby! Nicht wahr, Liebling?« Sie legt ihm den Arm um die Schultern. Die
Geste soll ironisch aussehen, aber sie ist nicht so gemeint. Typisch ausgehendes zwanzigstes Jahrhundert: Jede öffentliche Äußerung muß in eine schnöde, grundsätzliche Ironie eingebettet sein. Überprüfen Sie das, wenn Sie das nächste Mal Radio One hören. Ich weiß, daß Alice es nicht ironisch meint.
»Nicht zwangsläufig«, sagt Dina, eindeutig ein bißchen eingeschnappt, daß man ihre große Theorie einfach so zertrümmert hat. »Es muß natürlich nicht auf jeden diesen Einfluß haben. Andere Faktoren spielen wahrscheinlich auch eine Rolle.«
»O Dina...«, stöhnt Alice.
»Was?« sagt Dina knapp. Ich spüre eine gewisse Spannung zwischen den beiden.
»Warum bist du immer so überzeugt, du weißt über alle Leute gleich Bescheid? Du hast Gabriel eben erst kennengelernt.«
»Ich bilde mir nicht ein, daß ich über ihn Bescheid weiß. Ich habe lediglich eine Vermutung angestellt, mehr nicht.«
Ah, einen Moment! Sie hat einen ganz leichten amerikanischen Akzent. Das ist okay: Das ist sexy. Er klingt nicht gekünstelt, sondern echt, so als wäre er tatsächlich durch Osmose in ihre Stimme gelangt. Es gibt wirklich nichts Schlimmeres als Engländer in Amerika, die innerhalb weniger Wochen daherreden wie AFN-Discjockey Casey Kasem. Ich glaube, diese Sache ist wie eine Art physikalisches Gesetz: Seine Seelentiefe als Engländer kann man in umgekehrter Proportion dazu messen, wie schnell man in Amerika anfängt, amerikanisch zu klingen. Ich erinnere mich, wie ich einmal Amanda de Cadanet bei The Word in Los Angeles sah und sie während eines Interviews mit Keanu Reeves einen astreinen amerikanischen Akzent adaptierte.
»Nein«, schalte ich mich ein. »Ich finde, es ist eine wirklich einleuchtende Erklärung.«
Alice sieht mich verdutzt an. Vielleicht geht ihr, unbewußt, die Tatsache auf, daß ich ihr nie zuvor widersprochen habe.
»Du könntest wirklich recht haben, Dina. Das hieße also, wenn ich nach New York zurückginge, könnte ich wieder schlafen?«
»Jaah... vermutlich.«
Ich habe das sonderbare Gefühl, daß sich durch dieses Gespräch eine Art Band zwischen mir und Dina entwickelt hat. Ein Band, das etwas mit dem kollektiven Groll auf Ben und Alice und ihr unverschämtes Glück zu tun hat. Dina wirft mir einen irgendwie verschwörerischen Blick zu und trinkt ihren Kaffee, und schon wieder zieht sie die linke Augenbraue hoch. Eindeutig, ich habe Fortschritte bei ihr gemacht. Plötzlich hat sie einen Hustenanfall.
»Oh! Ah! Ooh! Aaaaha! Kraaaahaaaa!«
»Mein Gott, was ist denn los?« sagt Ben.
Dina fährt sich mit der Hand in den Mund, holt sie zwei Sekunden später wieder raus und dreht die Handfläche nach oben. Sie guckt runter, dann hoch. Ihre Augenbrauen rühren sich nicht von der Stelle.
»Auch du liebe Scheiße...«, schreit sie gegen den dicken, buckligen Frosch in ihrem Hals an, »...von wem sind diese Zehennägel,?«
5
Etwas wirklich Unheimliches geht vor.
Sie kennen Nick? Nick. Mein Wohngenosse. Der Bradford-Anhänger. Jaah, genau der. Ich nehme an, Sie haben sich inzwischen Ihr Bild von ihm gemacht. Supertyp. Porno-, Fußball- und Zoten-König. Na ja, neuerdings benimmt er sich irgendwie komisch.
An dem Tag, als Alice, Ben und Dina vorbeikamen, blieb er in seinem Zimmer, weil er abends zuvor mit dem Bradford-Fanclub durch die Kneipen gezogen war. Dann, gestern, stand ich um 12.20 Uhr auf, ging in die Küche, um die Espressomaschine anzustellen, und plötzlich platzt Nick herein und fängt an, mir zu erzählen, wie er sich bei der Sause gestern furchtbar zugedröhnt hat. Nun lassen mich Drogen sowieso ziemlich kalt, und noch erheblich kälter lassen mich Drogengeschichten. Ich meine, ab und zu habe ich nichts gegen den einen oder anderen erweiterten Bewußtseinszustand, aber nichts finde ich dämlicher, weniger originell und so durch und durch 1981 als das endlose Gelaber darüber, wie daneben man
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