Ab ins Bett!
Flaumstücken an Fäden und herabbaumelnden Spinnen zeigte sie kein Interesse. Der neue Kratzbaum ist jedoch innen mit Echter Katzenminze gefüllt, also wer weiß. Aber Jezebel war nirgends zu sehen. Ich ging auf die Straße und rief und rief nach ihr. Ich überlegte schon, einen dieser herzerweichenden Zettel aufzuhängen, die man überall in London an den Bäumen sieht - ungefähr so: »Entlaufen: rasende getigerte Todeskrallen-Killerin. Wenn gesehen, bitte nur mit Ganzkörper-Teerkleidung nähern«. Doch bei all diesen Zetteln hatte ich immer das Gefühl, die Leute sind insgeheim schon vom Tod ihres Tiers überzeugt. Das Schlimmste fürchtend, kam ich also in die berühmte Katzenbesitzer-Krise — jenen Punkt irgendwo zwischen völliger Verzweiflung und dem verlockenden Gedanken, wie süß ein neues Kätzchen wäre. Genau an dem Punkt nun höre ich plötzlich aus Nicks Zimmer ganz deutlich ein leises, gedämpftes Schnurren.
Im ersten Augenblick dachte ich, es handele sich um eine durch Panik ausgelöste akustische Halluzination. Sie müssen nämlich erstens wissen, Jezebel schnurrt nie. Natürlich faucht sie — ein tückisches, langsames, tief aus den Eingeweiden kommendes Zischen; und wenn sie ihr Geschäft gemacht hat, stößt sie regelmäßig ein knappes, forsches Miau aus, was, so wie ich es verstehe, bedeutet: »Mach das bitte sauber, ja?« Aber Schnurren liegt weiß Gott nicht in ihrer Natur; manchmal vermute ich sogar, sie ist ohne die entsprechende Kehlenausstattung dafür zur Welt gekommen. Und zweitens macht sich Nick nichts aus Jezebel. Er gehört zu den Leuten, denen das Konzept des Zusammenlebens mit Tieren völlig fremd ist. Manchmal frage ich mich, ob das ganze Problem von Jezebels Aggression nicht vielleicht mit den negativen Vibes zu tun hat, die ihr von Nick entgegenströmen, ein Gedanke, der mir zum ersten Mal vor ungefähr einem Jahr kam, als ich unter seinem Bett ein bräunlich verfärbtes Gebilde fand, das verdächtig nach einer alten Wurst aussah. Die Vorstellung also, Jezebel könnte in seinem Zimmer sein und auch noch vor Freude darüber schnurren, erschien mir also sehr unwahrscheinlich. Aber das Schnurren hielt an. Vorsichtig, Jezebel sollte ja nicht wegrennen, öffnete ich die Tür zu Nicks Zimmer, schob zwei Teller mit Resten von Silberfolienkartoffel-Sandwiches langsam den welligen Teppich entlang — Nick verzehrt grundsätzlich alles zwischen zwei Scheiben Weißbrot; er ißt sogar Fleischteigtaschen-Sandwiches, obwohl ich ihm unzählige Male erklärt habe, daß Teigtasche im Grunde schon Brot ist. Und dort mitten auf dem Bett kauerte Jezebel auf allen vieren und guckte ziemlich ratlos aus der Wäsche. Und ihr gegenüber, auf allen vieren mitten auf dem Bett, hockte Nick und fixierte sie angestrengt. Und schnurrte.
Er hörte einen Moment damit auf und drehte den Kopf über die linke Schulter in Richtung Tür.
»Ich rede mit ihr«, erklärte er mir. »Sie ist unglücklich. Sie wäre gern ein großer Tiger. Möchte frei den Dschungel durchstreifen.«
Er ging mit dem Gesicht ganz nah an sie heran. »Miau«, machte er. Und noch einmal »Miau«. Damit ließ er’s vorerst gut sein. Jezebel machte ein Pokerface dazu. »Sie sagt, sie weiß, daß ich ihr seelenverwandt bin.«
Er schwieg einen Moment, guckte dann zu mir hin und sagte. »Gabe, weißt du, wo ich eine Trillerpfeife herkriegen kann?«
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Warum fragst du nicht Jezebel?«
Er nickte ganz ernst und sachlich, als wollte er sagen, »Ja, gute Idee«, und drehte sein Gesicht wieder der Katze zu. Jezebel gab ihm eine Ohrfeige.
Ich weiß nicht, die Sache macht mir Sorgen. Es kann natürlich sein, daß Nick bloß herumalbert, aber Tatsache ist: Sich in einen Baum verlieben, sich als Kermit der Frosch fühlen und tiefgründige Gespräche mit einer Katze führen - glauben Sie mir, das ist der direkte Weg in den Wahnsinn.
6
Ich werde Dina anrufen. Ja, genau. Ein gewisses Maß an Abenteuer ist sich jeder Mann schuldig.
Das wird hart, weil ich noch nie eine Frau angerufen habe, damit sie sich mit mir trifft. Alle Frauen, mit denen ich je zu tun hatte, haben mich verführt. Alle fünf, eingeschlossen die eine, die ich vor acht Nächten durch das wilde, taubblinde Auf und Ab meiner Hand aus dem Schlafzimmer trieb. Beim Sex kann ich nie die Initiative ergreifen; die Klippe, von der man springt, wenn man eine Frau zum ersten Mal küssen will, ist einfach zu hoch. Deshalb denke ich auch nie dran, nach Amerika
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