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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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eigentlich ergibt langsam alles einen Sinn.
    »Ich dachte halt, das wäre bloß einer von euren typischen kleinen Scherzen«, sagt meine Mutter und klingt plötzlich niedergeschlagen. Offenkundig hatte sie geglaubt, die Anekdote eigne sich zu einem hübschen, stillvergnügten Geplänkel, das vielleicht zu einer zwar verspäteten, aber erfreulichen Mutter-Sohn-Bindung führen könnte. Ein Psychodrama hatte sie jedenfalls nicht im Sinn. »Er war schon immer ein kleiner Witzbold, nicht wahr?« fügt sie, beinahe flehend, hinzu, streckt über den Abgrund hinweg die Hand verzweifelt nach einem Fünkchen Gemeinsamkeit aus.
    »Nun... jaah.« Ich habe Mitleid und ergreife einen kleinen Finger. »Aber ich glaube nicht, daß er im Moment Witze macht.«
    »Nimmt er vielleicht Drogen?«
    Unglaublich, nicht wahr, wie der am wenigsten originelle Gedanke manchmal der richtige ist?
    »Uhmmm... keine Dröhnkanonen.«
    »Welche Sorte Droge ist denn das?«
    »Ich meinte, er pfeift sie sich nicht massenweise ein. Nimmt auch keine harten Drogen oder so. Aber... du könntest recht haben. Vielleicht hat es etwas damit zu tun. Was... genau machte er denn?«
    »Er ging auf und ab und spielte Trillerpfeife.«
    »Und daraus hast du geschlossen, daß er auf Rattenfänger von Hameln macht?«
    »Na ja, er hatte einen kleinen grünen Hut auf.«
    »Aber deshalb ist er doch noch kein... He, wie genau sah er aus, der kleine grüne Hut?«
    »Das weiß ich nicht mehr, Gabriel.«
    »War ein schwarzes Band mit einem afrikanischen Muster darum?«
    »Ehhmm... so genau kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich glaube ja.«
    »Gut. Hast du etwas zu ihm gesagt?«
    »Nur hallo, wie geht’s, du weißt schon. Wir kontaktierten bloß ein Sekündchen.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Hallo. Und dann...« Sie lacht, aber etwas unsicher, wohl in Erinnerung an die kalte Dusche, die ihre Heiterkeit vor einer Sekunde erst bekam, »...machte er etwas sehr Komisches. Er öffnete seine Arme - einen Moment dachte ich schon, er wollte mich an sich drücken - und rief: >Kein Herumgehopse mehr mit ausgestreckten Armen! Ab jetzt zu ausgestreckten Armen nur noch gemessener Schritt. < Dann verschwand er im Safeway-Supermarkt.«
    Und sie fand immer noch nicht, daß irgend etwas ernstlich nicht stimmte mit Nick. Na, wenn man im Tortensegment »nett« lebt, gibt es wahrscheinlich kein »ernstlich unstimmig«-Stück.
    »Aber wie konnte er denn mit ausgestreckten Armen Trillerpfeife spielen?«
    »Ach, das machte im Grunde keinen Unterschied. Er blies ja sowieso nur rein, spielte keine richtige Melodie oder so.«
    Das Rauschen in der Ohrmuschel, die ihre Rolle in der ganzen
    Telefonier-Versuchsanordnung offenbar mißversteht, wird plötzlich lauter. Ich habe das Gefühl, das Thema ist erschöpft. Ich gehe zurück zum Küchentisch: das beige Telefon scheint mich förmlich anzuflehen, den Hörer schön brav in die beiden Einkerbungen zu legen.
    »Na gut also«, sage ich und falle in einen Kommen-wir-zum-Ende-Ton. »Wir hören bald wieder voneinander.«
    »Ja. Sei kein jüdisches Postamt. Und...« Tonart: erzwungene Munterkeit »...vergiß nicht, mir Bescheid zu sagen, wenn du und Dina wieder zum Essen ausgeht.«
    »Jaah, jaah.«
    Ich lege auf. Jetzt habe ich also meiner Mutter erzählt, ich sei bereits mit Dina ausgegangen. Das, was ich will, befindet sich nun da, wo ich es am wenigsten will — im Kopf meiner Mutter. Dies und die Tatsache, daß ich, wie Sie bemerkt haben werden, ein miserabler Lügner bin, setzt mich unter Zugzwang. Ich drücke auf den Selbstwählknopf mit den Buchstaben »A/B«. Das Telefon schrillt durch den Terracottaflur.

7

    Eins gehört zu den tausend Paradoxien meiner Schlaflosigkeit -und es ist schließlich paradox, nachts nicht schlafen zu können: Den ganzen Tag will ich mich hinlegen. Tagsüber ist die praktisch liegende die einzig bequeme Sitzposition, und richtig wohl fühle ich mich erst, wenn mein ganzer Körper parallel zum Boden auf dem Sofa ausgestreckt ist, bis auf meinen Kopf, der gegen das Armpolster lehnt (die Fünfkinn-Sondernummer!). Sowie ich aber im Dunkeln zwischen Laken auf einer Matraze liege, fängt mein ganzer Körper zu kribbeln an, innerhalb acht Sekunden begehrt jede Zelle auf und sagt dem Schlaf den Kampf an.
    Dieser Aufruhr und all die anderen Lästigkeiten und Tücken meiner lächerlichen Schlafgestörtheit laufen immer, immer, zur Hochform auf, wenn am nächsten Tag etwas wirklich Wichtiges ansteht. Mein ganzes Leben war es

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