Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
Vom Netzwerk:
würde. Trotzdem habe ich Angst, mich bloßzustellen.
    »Hallo?«
    »Tag Alice.«
    »Tag Gabe.«
    »Ist Dina da?«
    »...ja. Moment, ich hole sie.«
    »Ach nicht! Bemüh dich nicht. Dich will ich, Liebste. Dich, dich in voller Größe, nicht bloß eine Achtzigprozent-Version von dir, mit achtzigprozent großen Brüsten. Ich will dich, du Wundervolle, du Herrliche, du Schöne!!!«
    Vielleicht lasse ich es lieber ganz sein. Ich recke die Arme, presse die Handflächen über dem Kopf zusammen und pumpe mit den Fingerspitzen Sauerstoff in meine schläfrigen Muskeln. Verschiebe nie auf morgen, was du übermorgen kannst besorgen, das ist mein Motto. Ich bin der General Zauderer. Im Mittelalter hätte ich Umhang und Zepter gehabt, und die Bauern wären an meinen Hof gekommen, um meinen weisen Ratschluß zu erbitten — über die Ernte, den Krieg, ob sie ihre Kinder in Armut großziehen sollen oder beim König in Dienst geben -, und, nach einem Fanfarenstoß, hätte ich mich in Würde erhoben und feierlich verkündet: »Uhmmm... ich weiß nicht. Am besten, nichts übereilen. Ehmm... überschlaft die Sache ein paar Tage und fragt dann jemand andern. Einverstanden?«
    Das Telefon klingelt, jagt mir einen Schreck ein.
    »Ja?«
    »Endlich bist du mal zu Hause! Also! Ich dachte schon, ich würde wahnsinnig, so oft habe ich auf dein albernes Band gesprochen. Ich kenne keinen, der solche Ewigkeiten nicht zurückruft wie du — außer Hugo natürlich.«
    »Tag Mutter.«
    »Ich wollte mich bloß mal kurzschließen mit dir.«
    »Gut.«
    Eine Pause. Seit einigen Tagen hat sich das Surren und Klicken in der Leitung in ein leises, ständiges Hintergrundrauschen verwandelt. Meine Espressomaschine leidet an Verstopfung, mein Stadtplan ist leprös, und jetzt hat mein Telefon Ohrensausen.
    »Na, und wie steht’s mit deiner neuen Herzdame?« fragt meine Mutter so beiläufig, wie es jemandem, der unbedingt so klingen will, eben gelingen kann, was so ungefähr auf das Gegenteil hinausläuft.
    »Gut. Wir haben uns neulich getroffen, und ich war überrascht, wie nett sie ist.«
    Meine Mutter schweigt eine Sekunde. »Hast du mir nicht erzählt, ihr zwei hättet euch schon so gut verstanden, ehe sie nach Amerika ging?«
    Habe ich das? Verdammt.
    »Na ja, ich meinte, sie war sehr nett, als ich mit ihr essen war.«
    »Oh!« ruft sie erfreut. »Ihr zwei wart zum Essen aus!«
    »Ja.«
    Wieder eine Pause. Ich glaube, ich weiß, was als nächstes kommt.
    »Nu?«
    Nu ist Jiddisch und heißt »Ja? Und? Was weiter? Erzähl mir mehr. Was...?«
    »Nichts nu, Mutter. Wir waren essen.«
    »Und? Werdet ihr noch mal zusammen essen?«
    »Ja, wir gedenken, einen Dinner-Club aufzumachen.«
    »Wirklich?«
    »Nein. Das war ein Scherz.«
    »Oh.«
    Ich hoffe sehr, Interpol schneidet dieses Gespräch nicht mit. Denn sonst dichten sie mir vielleicht irgendwas an und stellen mich unter Spionageanklage, nur damit ihnen die Ohren unter ihren kleinen Zweite Weltkrieg-Kopfhörern nicht länger rot anlaufen vor Qual und Peinlichkeit.
    »Rat mal, wen ich neulich zufällig traf? Da kommst du nie drauf«, sagt meine Mutter.
    Das stimmt. Die Rätsel meiner Mutter überfordern mich immer. »Jim Deacon, Michael Bunting? Wally? Indira Mutchenflacken? Die Tishner-Zwillinge?«
    »Nein«, sagt meine Mutter triumphierend. »Nick.«
    »Nick? Nick wie in Nick?«
    »Du weißt schon. Dein Freund.«
    »Wo um Himmels willen hast du den denn getroffen?«
    »Auf dem Wembley-Markt. Ich wußte gar nicht, daß er Trillerpfeife spielen kann.«
    »Hat er etwa auf Straßenmusiker gemacht?«
    Sie lacht, als gäbe es keine absurdere Vorstellung. Ich dehne die Telefonschnur so weit es geht und trete vors Küchenfenster, das von der Heizung darunter beschlagen ist. Mit dem Morgenmantelärmel, den ich mir über die Hand heruntergezogen habe, reibe ich ein kleines Loch in das Kondenswasser. Durch den verschmierten Kreis sehe ich, daß die Baumspitzen mit grauweißem Frost überzogen sind, so als hätte die Welt über Nacht schlechte Nachrichten erhalten.
    »Nein, Schatz, sei nicht albern«, fährt meine Mutter kichernd fort. »Er spielte den Rattenfänger von Hameln.«
    »O, natürlich. Was zum Teufel redest du da?«
    »Wirklich, Gabriel, kein Grund zu fluchen!«
    Kein Grund zu fluchen? Mein Vater schreit »Sodomie-Arsch-Fotzen-Sodomatsche!!!«, wenn er seine Schlüssel nicht finden kann. Was würde er sagen, wenn sich herausstellt, daß die Person, mit der er zusammenlebt, wahnsinnig geworden ist?
    Aber

Weitere Kostenlose Bücher