Ab ins Bett!
überwältigenden Sachlichkeit ihrer Stimme, daß ich völlig ernüchtert war. Manchmal signalisieren Frauen deutlich: Hier gibt’s nichts Sexuelles für dich zu holen. Aber indem sie das tun, erkennen sie immerhin an, daß Sex im Spiel war. Dina modulierte ihren Ton, daß er viel weiter ging: So als wäre es ihr noch nie in den Sinn gekommen, daß ein Mann, der mit einer Frau ausgehen will, vielleicht Hintergedanken hat. Meine Lust fühlte sich weniger behindert als nicht anerkannt, im politischen Sinne des Worts - wenn Dina der Irak war, war meine Lust Israel.
Morgen, 13.30 Uhr, hole ich sie bei Ben und Alice ab. Was ich zu ihnen sagen soll, was ich zu ihr sagen soll: Das wird das EndlosRubbellos für heute nacht. Ich lüpfe meine Schlafbrille und beobachte, wie die Scheiben hinter den Vorhängen einen Grad heller werden. Ich nehme meine Ohrstöpsel heraus und warte auf das letzte Signal der Natur, daß ich die Schlacht verloren habe. Ah. Da ist es.
Wissen Sie, wie es ist, nur Wut zu empfinden, wenn die Vögel mit ihrem Gezwitscher anfangen?
8
Ich klopfe an die Tür. Ben und Alice haben keine Klingel, sondern einen großen Löwenkopfklopfer. Er ist so schwer, daß man oft Angst hat, wenn man richtig fest damit zuhaut, reißt er einem die Hand durch die Tür in den Flur. Wahrscheinlich ist dieser Löwenkopf die Hauptursache für das Absinken der Straße. Im Augenblick jedoch erhöht er meine grausame Anspannung. Bummm, Bumm. Nichts tut sich. Dann, von fern, ein Geräusch wie Papierrascheln, das sich allmählich in etwas eindeutiger Definierbares verwandelt. Schritte. Was ist bloß los? Wieso ist dieser Moment plötzlich wie die Szene aus dem alten Gruselfilm, wo das unschuldige Paar in strömendem Regen vor dem Burgtor wartet? Die Tür öffnet sich, absichtsvoll langsam scheint es mir, so als lege die Person dahinter es darauf an, das obligatorische, langgezogene Knarren zu produzieren, aber als die Tür dann ganz aufgeht, steht doch kein Exemplar der Bucklige-Diener-Spezies vor mir, sondern die schönste Frau der Welt.
»Hallo«, sage ich. Dann, in einem witzig gemeinten Prol-Ton: »Na Baby. Wo issn deine Schwester? Habn Date mit ihr.«
Warum habe ich das getan? So was Scheißdämliches. Manchmal, wenn ich nachts im Bett liege, die druckfrischen Nachrichten meines Tages überfliege und mein Blick auf einer peinlichen Äußerung von mir haften bleibt, schüttelt es mich buchstäblich vor Grauen, so als ob man Gin trinkt. Diesmal allerdings schüttelte es mich an Ort und Stelle, ich glaube, schon ehe ich das Wort Baby aussprach. Tja, mein Hirn, es ist gebieterisch, aber nicht verbieterisch.
Alice, gesegnet sei sie, nimmt es gelassen. Ich meine, sie knallt mir nicht die Tür vor der Nase zu. Aber sie wirft mir einen leicht befremdeten Blick zu, und meinem Gefühl nach nicht nur deshalb, weil ich einen schlechten Witz gemacht habe.
»Tag, Gabe«, sagt sie. »Komm rein.«
Sie dreht sich um - oh, ihr Hintern in weißen Hosen! - und geht ins Wohnzimmer. Ich folge ihr. Alle sind jetzt versammelt, Ben, Alice und Dina, und mustern mich (so kommt es mir vor) wie ein McCarthy-Komitee.
»Tag Gabe«, sagt Ben und guckt mich beklommen an. Dina sagt gar nichts, nickt bloß in meine Richtung. Gott. Vielleicht ist sie einfach zu schwierig. Ich sehe sie an. Sie trägt einen knappes rotes, ärmelloses T-Shirt, das ihr gerade bis unter die Taille reicht, und eine rosa Mohairjacke.
»Freust du dich auf das Spiel?« sage ich.
»Nicht wirklich.«
»Dina. Was ist denn das für eine Einstellung? Ich dachte, du hättest dir dein Outfit schon zurechtgelegt, mit Schal und allem.«
»Warum? So kalt ist es doch nicht.«
Alice lacht.
»Dina«, sagt sie, »wenn Leute ins Stadion gehen, tragen sie , Schals, gleich was für ein Wetter ist. Sie binden sich das Halstuch ihrer Mannschaft um.«
»Oh«, sagt Dina, als verstünde sie immer noch nicht, und das ganze rätselhafte Konzept »Mannschaftshalstuch« bedürfe einer viel genaueren Erklärung, aber gleichzeitig deutlich so, als schere sie das alles einen Dreck.
»Tja, aber dein rotes Hemd... «, sage ich.
»Na und?« fragt Dina scharf, wappnet sich gegen die nächste Belehrung.
»Die Barnsley-Trikots sind rot...«
»Und?«
»Aber unsere Plätze sind mitten unter den Queens Park Ranger-Fans.«
»Und?« Ungeduldig.
»Vergiß es, Gabriel«, sagt Ben lachend. »Ich glaube, Dina sendet so starke Scheißegal-Vibes aus, daß niemand auf die Idee kommt, sie für ’nen
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