Ab ins Bett!
dampfend, hockt ein Tandoori-Frosch. Verflucht. Kein Wunder, daß die Kruste so warzig aussah. Dina rennt schreiend ins Bad. Mir platzt der Kopf: Ich fühle, wie sich eine enorme Wut in mir aufzustauen beginnt. Als ich den Frosch angucke, sehe ich rot.
Ich blicke mich nach einer Waffe um. Genau. Ich gehe zum Fenster und reiße die Yucca-Pflanze mitsamt Stamm und Wurzel aus dem Topf. Erde fliegt nach allen Seiten. Uhmm: Riecht ein bißchen verpißt. Aber darüber kann ich mir jetzt keine Gedanken machen. Ich stapfe zurück zum Kaffeetisch, schwinge den entwurzelten Stamm über meinen Kopf, lasse ihn auf den Frosch niederprasseln, nur, der Frosch weicht aus, macht einen erstaunlich hohen Satz in die Luft. »I love a party with a happy atmosphere« singt Russ. Ich hole noch mal aus und schlage wieder zu, wieder hüpft der Frosch weg. Dann stößt er plötzlich ein schrilles Geräusch aus, eine Art Angstsignal, was nur recht und billig ist: Er hatte auch nicht seinen besten Tag. Aber jetzt versuche ich es mit einer anderen Strategie, ich schleife die Yucca über den Boden auf ihn zu -der Frosch hüpft zur Seite, aber ich mache einen so geschickten Schwung mit der Yucca, daß das engeisterte Reptil obendrauf landet, genau da, wo die beiden Zweige sich gabeln. Ich hebe mir den Frosch auf Augenhöhe: Sein Angstsignal wird so laut, daß ich jeden Moment damit rechne, Hunderte anderer, in kleine Feuerwehruniformen gekleideter Frösche durch die Tür hereinpreschen zu sehen. Dieser hier starrt mich vorläufig bloß entsetzt an. An einigen Stellen ist seine Tandoori-Kruste abgeblättert, und darunter kommt eine leicht verkohlte grüne Haut zum Vorschein. Entschuldige, Kumpel: warst halt zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich hole mit der Yucca aus, als wäre sie eine irgendwie verunglückte Steinschleuder, dann schwinge ich sie mit ganzer Kraft nach vorn: Der Frosch fliegt von den Zweigen und in hohem Bogen zum offenen Fenster raus. Ich hole tief Luft und setze mich an den Kaffeetisch neben den Tofu, der schon fast kalt ist. Merkwürdig, ich höre immer noch das schrille Angstsignal des Frosches. Dann merke ich, daß Dina ins Zimmer zurückgekommen ist.
»Du SCHWEIN!!« schreit sie; an ihrer rechten Augenbraue klebt immer noch ein winziges Stückchen Tandoori-Paste. »Was für ne Sorte Witz sollte’n das sein?!!«
»Es war doch...«
»Und jetzt hast du den armen Kerl umgebracht. Ich habe es gesehen! Ich bin Vegetarierin, falls du dich erinnerst. Du ekelst mich an! Kannst du dir nicht vorstellen, daß ich vom Töten die Nase voll habe?!!«
»Na, ich glaube kaum...«
Aber es ist zu spät. Sie ist fort. Ich bleibe reglos am Kaffeetisch sitzen und starre auf die unbenutzten Teller. Zum zweiten Mal in den letzten Monaten höre ich den speziellen Knall, den unsere Wohnungstür macht, wenn eine wütende Frau mit Hochgeschwindigkeit durchsaust. Da ich nicht weiß, was ich sonst machen soll, nehme ich das Tablett und trage es in die Küche. Wie spät ist es? Die Mikrowellenuhr zeigt 1.92 Uhr. Na, wunderbar. Man sollte doch meinen, wo er schon mal da drin war, hätte der
Frosch wenigstens das Maul aufgerissen und die verdammte Fliege gefressen. Zweiter Knall. Das war die Haustür.
Nein, das ziehe ich mir nicht an! Das Ganze war nicht meine Schuld. Na gut, vielleicht hätte ich jede Ecke und jeden Winkel nach dem Frosch absuchen sollen, nachdem Jezebel mit ihm davongetrottet war. Vielleicht hätte ich die Auflaufform nicht fünf Stunden offen herumstehen lassen sollen. Vielleicht wurde der Frosch von Gott geschickt - als Abbild meiner eigenen Scheußlichkeit, fünf Minuten vor Dinas Ankunft zu schmutzigen Bildern zu masturbieren. Aber ich bin ein Mann, gegen den mehr gesündigt wird, als er sündigt — ich mache eine schnelle Kopfrechnung: ja, kommt ungefähr hin. Ich knalle das Tablett auf die Spüle, renne aus der Küche und die Treppe runter.
Als ich die Haustür öffne, sitzt Dina mit dem Rücken zu mir auf der Mauer unseres Vorgartens und weint. Der Mann Der Unter Uns Wohnt steht mitten auf unserem Vorgartenpfad. Zum allerersten Mal versucht er nicht, meinem Blick auszuweichen. Seine Augen, die ich bisher noch nie richtig gesehen habe, sind schwarz und voller Traurigkeit. Als sein Blick mit meinem zusammenstößt, wird diese Traurigkeit zugedeckt wie eine frische Leiche. Die schiere Anklage steht plötzlich in seinen Augen, was in meine den Ausdruck höchster Verwunderung ruft. Was macht der sich denn den Kopf verrückt?
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