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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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Aber dann neigt Der Mann Der Unter Uns Wohnt, wie wir’s von ihm gewohnt sind, leicht das Haupt, womit er normalerweise beabsichtigt, Augenkontakt zu vermeiden, aber diesmal macht er es auf eine so betonte Art, als hätte er noch ein anderes Motiv. Dann sehe ich das andere Motiv: Der Frosch hat es sich auf der Krempe seines Beerdigungssombreros bequem gemacht; völlig intakt — wirklich erstaunlich, wenn man bedenkt — hockt er da wie ein greulicher roter Hutschmuck. Der Mann Der Unter Uns Wohnt läßt den Kopf zwei oder drei Sekunden auf diese Weise gebeugt, damit ich die schreckliche Wahrheit auf mich wirken lassen kann. Währenddessen rutscht der Frosch ein Stück die Krempe runter. Dann hebt Der Mann Der Unter Uns Wohnt den Kopf und geht langsamen und gemessenen Schritts auf seine eigene Eingangstür zu. Ehe er durch sie verschwindet, wirft er mir noch einen letzten Blick zu, wieder liegt eine abgrundtiefe Traurigkeit darin, die nur leicht in den Schatten gestellt wird durch die des Froschs, der zur gleichen Zeit, noch eine Spur trauriger, zu mir hinguckt.
    Als sich die Tür schließt, gehe ich zu Dina hin, die immer noch mit zuckenden Schultern auf der Gartenmauer sitzt. Nur weint sie nicht. Sich vor Lachen schüttelnd fällt sie mir in die Arme.

11

    Mein Schlafzimmer ist in einem ziemlich intensiven Blauton gehalten. Ich habe es selbst gestrichen, wobei ich die gewünschte Farbe erzielte, indem ich so lange »Heidelbeer« und »Veilchenblau« mischte, bis die Tünche tiefblau war. Von allen Farben des Spektrums saugt Blau am besten das Licht auf — außer Schwarz natürlich, aber für jeden über fünfzehn kommt das selbstredend nicht mehr in Frage. Ich entschied mich also für dieses spezielle Blau, weil es frühmorgens das Eindringen des Sonnenscheins verzögert und mir so einen zusätzlichen Spielraum von zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten an Nacht gibt. Im Augenblick hat sich das Blau jedoch so vollgesogen mit Licht, daß es sich förmlich von den Wänden ergießt. Den Rücken an die nackte Wand gelehnt, die das Kopfteil meines Bettes bildet, betrachte ich (mit einem ärgerlichen Ruck, immer das Zeichen totaler Niederlage, habe ich vor zwanzig Minuten meine Schlafbrille heruntergerissen), wie die vagen Umrisse in meinem Schlafzimmer wieder zu den alten Bekannten werden, die sie sind: die Poster an der Wand, eins eine gerahmte Man Ray-Fotografie von einer Louise Brooks-Doppelgängerin, die, den Kopf auf einen Tisch gestützt, eine afrikanische Stammesmaske in die Kamera hält (unter dem Foto steht Aus der Sammlung des Israel Museums, weshalb es mir jemand schenkte, der glaubte, da ich jüdisch bin, müsse mir so was gefallen), das andere ein Rothko-Druck, Dunkelrot auf Lila; der weiße Kamin, innen geschwärzt von seinem einstigen täglichen Gebrauch, jetzt die Abstellkammer für zwei hölzerne Jonglierstöcke, die ich vor vier Jahren mit der Absicht kaufte, irgendwann mal was in Richtung Straßentheater zu machen, eine nie realisierte Idee; der große eichene Kleiderschrank vom Trödel mit der großen Spiegeltür — endlos rückte ich das Möbel hin und her, bis der Spiegel den richtigen Winkel zum Bett hatte; mein verschrammter grauer Schreibtisch, ebenso vom Trödel, ein Relikt aus der Zeit, als der Großteil der Mittelklasse noch Angestellte waren. Er hat ein eingelassenes Tintenfaß und ein getrenntes Unterteil mit Schubladen, das jetzt in der Ecke, direkt unter der Deckenschräge steht. Hunderte verschiedene Zettel und Bögen, die meine elektrische Schreibmaschine Marke Brother unter sich begraben. Der Nachttisch neben dem Bett, ein schwarzes Ding für 19,99 Pfund zum Selberzusammenbauen von IKEA, auf dem ein alter, inzwischen seit zwei Jahren kaputter elektrischer Teekocher steht, direkt neben meiner kuppelförmigen schwarzen Nachttischlampe, ursprünglich ein Ultraviolettstrahler, aber dann mit einer gewöhnlichen Birnenfassung versehen und inzwischen seit heute nacht kaputt, nachdem ich darauf bestand, sie zum fünften Mal anzuknipsen; meine Kleider, das ausgebeulte schwarze T-Shirt mit dem roten Streifen, die 501 mitsamt Riß, der Y-förmige Eminence-Slip, liegen, als könnten sie kein Wässerchen trüben und ziemlich selbstzufrieden auf dem Boden, ein bißchen wie »Wir haben’s dir doch gleich gesagt«; daneben ein Goldlamé-Oberteil mit Rollkragen und lila Hüfthosen aus Samt; und neben mir, keine alte Bekannte, Dina Friedricks. Sie atmet ruhig und regelmäßig, das zart gerundete

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