Ab ins Bett!
grellen Neonlicht darüber wirft ein gespenstisches Bild zurück: ein müde aussehender Mann mit kurzem schwarzbraunen Haar, das ihm in asymmetrischen Segmenten am Kopf klebt, verstört blinzelnde Augen, nackt, mit leichtem Bauchansatz, in der Hand das Symbol seiner Ekstase in einem tröpfelnden Ballon. Ich drehe den Hahn auf: Der Wasserstrahl treibt das weiße Gelee in herumpurzelnde Fäden auseinander. Ich mache den Knoten, und eine Welle von Panik durchbraust mich, als ein winziges Rinnsal aus dem Euter dringt. Ich erinnere mich an die Versicherung auf der Packung: Nach BS-Norm getestet. Jaaah, denke ich, das war auch die verdammte Hindenburg. Aber als ich das Kondom ans Licht halte, hat das Getröpfel aufgehört, und mir fällt ein, daß Dina ja sowieso keine Kinder kriegen kann. Ich ziehe die Spülung und gucke zu, wie wieder eine Chance, diesen dicken, müde aussehenden Mann für zukünftige Generationen neuzuerschaffen, ins Meer hinausstrudelt.
Als ich mich wieder umdrehe, bemerke ich im Spiegelbild einen Lichtschimmer oberhalb meiner rechten Schläfe. Nein, lüg nicht, das ist kein Licht, das da schimmert, es ist ein Stück Kopfhaut. Webster, so wird behauptet, sah den Schädel unter der Haut; ich dagegen sehe meinen seit kurzem unterm Haar. Ich habe den Eindruck, zu beiden Seiten meiner Stirn hat sich mein Haar vielleicht — nicht eindeutig, aber eindeutig vielleicht — entschlossen, den Rückzug anzutreten. Ich senke den Kopf in Richtung Spiegel, schiele nach oben, schiebe mein Haar zurück und fasse es oben am Kopf zu einem straffen Pferdeschwanz zusammen. Etwa vier oder fünf Millimeter hinter meinem zusehends ausfransenden Haaransatz steht mir ein ausgesprochen widerspenstiges Haar mitten auf dem Kopf, sozusagen als der vorgeschobene Posten schwindender Männlichkeit. Ich habe beschlossen, dieses Haar als trigonometrischen Punkt zu benutzen. Wenn die geschlossenen Reihen seiner Brüder sich noch weiter in seine Richtung zurückziehen, dann weiß ich es mit Sicherheit: Ich kriege eine Glatze. Kein schütter werdendes Haar, keine lichte Stelle hier und da, nein: eine Glatze. Scheiße. Wie Winona Ryder in Dracula sagt: »Bring mich fort von so viel Tod.«
Ich gehe wieder ins Bett, kälter, nicht mehr so zufrieden. Im Schlaf aufgestört durch den Luftzug unterm Federbett, dreht Dina sich um und murmelt Traumworte. Ich fühle ihre Körperwärme wie eine Aura und unterdrücke den Drang, sie zu umarmen und mich an ihrem somnambulen Feuer zu wärmen: Man muß eine Frau schon sehr gut kennen, ehe man sie ungestraft aufwecken darf, indem man rapide ihre Körpertemperatur senkt. Unmittelbar nach dem Sex lag ich auf dem Rücken. Dina krabbelte, unaufgefordert, auf mich und bettete ihren Kopf auf meine Schulter. Sie sagte: »Dein Pimmel schmeckt nach Old Spice« und schlief auf der Stelle ein. In dem Moment, als ich so dalag, ihr Kopf auf meiner Schulter schwerer wurde und ich das so unwiderstehlich abgepolsterte Gewicht ihrer Beine auf meinen fühlte, war mir, als hätte sie einen Riß in meiner Seele gekittet. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.
Ich weiß nicht, was ich mir bei dem Ganzen gedacht habe. Vielleicht glaubte ich, es würde so sein, als schliefe ich mit Alice, aber andererseits weiß ich nur aus meinen Träumen, wie es ist, mit Alice zu schlafen, jedenfalls sind meine Fantasieficks mit Alice etwas anderes als das hier jetzt, wahrscheinlich vor allem, weil außer mir sonst niemand beteiligt ist. Und wenn es jetzt darauf hinausläuft, daß ich mit Dina gehe, dann stecke ich in einer Beziehung fest. Ich weiß wirklich nicht, was ich geglaubt habe — daß ich in einem Schattenspiel herumtanze? Und womöglich entferne ich mich dann weiter von Alice als je. Im Würgegriff meines Frühmorgen-wachseins zappeln meine Gedanken hin und her.
12
Wo ich zur Schule ging — in der John Lyon School in Middlesex, einer jener kleinbürgerlichen Anstalten, die sich verzweifelt mühen, Eton oder Harrow zu imitieren, letzten Endes aber bloß zu viele Juden anziehen —, stand es sozusagen im Lehrplan, daß man mit sechzehn einen Superschlitten besaß. War man in dem Punkt ein Versager, wurde es von lebenswichtiger Bedeutung, sich wenigstens bestens mit Autos auszukennen. Ich habe Jungen erlebt, die noch zehn Jahre vom Führerscheinalter entfernt waren und die mit tausend Detailkenntnissen darüber diskutierten, welcher Motor mehr Klasse hätte, ein Cavalier oder ein Carlton (das meiste ihres Wissens bezogen sie
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