Ab ins Bett!
Gesicht halb in meinem Zweitkissen versunken, das ich nie benutze, da ich meins seit meiner Kindheit habe — obwohl ich inzwischen drei Bezüge drüberziehen muß, damit die Schaumgummifüllung nicht herausbröselt, aber mein Kopf fühlt sich immer unwohl, wenn er wach auf irgendeinem anderen ruht.
Ich habe nicht an Alice gedacht. Nicht ein einziges Mal. Ich hatte zu viele andere Dinge im Kopf (nicht zuletzt die Tatsache, daß ich nicht zum Wichsen gekommen war). Das ist der Punkt beim Sex, oder zumindest einer der vielen: Ich erinnere mich, wie Holly Johnson in seiner noch uninfizierten Jugendblüte sagte, in Frankie Goes to Hollywood werde der Sex gefeiert, weil er der einzige noch übriggebliebene spontane, ursprüngliche Akt sei — der einzige, wo die Leute sich völlig in Einklang mit ihrem wahren Selbst verhielten, ohne Gedanken daran, wie sie sich verhalten sollten. Aber das stimmt überhaupt nicht. Sex ist alles andere als spontan und ursprünglich. In den Akt mischen sich Millionen penetranter, widerstreitender Stimmen ein, die einem sagen, wie man es macht, wie man es nicht macht, wie man es jahrelang mit demselben Partner macht, wie, wenn man Kinder haben will und wie, wenn man keine will, wie, wenn man schon welche hat — wo und wann, wie und warum. In Büchern, Gedichten, Zeitungen, auf Video, im Kino — jeder, angefangen von den Sorgentelefon-Tanten im Radio bis Saul Bellow, gibt seinen Senf dazu. Wie um Himmels willen soll da irgendein Mensch diesen angeblich natürlichsten aller Akte natürlich vollziehen? Nur Kaspar Hauser könnte das, und der wäre wahrscheinlich sowieso nicht zum Zug gekommen, weil er wie ein Wald roch.
Und doch, und doch: Obwohl all diese Leute sich einmischen, gibt es einen Ort, ganz tief versteckt im Kern der eigenen Sexualität, wo man sich am Ende doch verliert. Es ist wie ein Labyrinth in einem Labyrinth. Manchmal gelingt es einem nicht, den Weg hineinzufinden, aber meistens braucht man nur auf gut Glück irgendeinen auszuprobieren. Wenn, wie bei mir, die erotische Empfänglichkeit durch Pornographie grob abgestumpft ist, dann wählt man zu oft Route eins, das Auge - das Beine-breit-Titten-zusammengepreßt-Tor zum Vergessen. Das bringt einen fraglos weiter -wer wäre ich, das zu bestreiten? —, aber selbst ich mit meiner visuellen Fixiertheit weiß, daß das nicht der Schlüssel ist. Den habe ich schon in einem Geruch gefunden (obwohl es, um der Wahrheit Ehre zu tun, ein Geruch war, der mit einem Beine-breit-Titten-zu-sammengepreßt-Moment einherging). Und viele Male in einer Berührung, einer Hand, die sich durch meine Schenkel schlängelt und meine Hoden umfängt, ein über meine Fußsohlen gezogener Fingernagel, eine sich behutsam in die aschfarbene Kerbe meines Anus bohrende Zunge. Und einmal in einem Ton, einem Schhh, dem Flüstern, ich solle leiser sein, damit die Eltern nichts hören.
Bei Dina war es ihre Haut. In Dina zu gleiten war wie in ein Bad aus Fleisch steigen. Schon bei unseren ersten Berührungen, durch die dicken Handschuhe von Befangenheit hindurch, wußte ich, welche Oase meinen Tastsinn erwartet, und, weiß Gott, sie war keine Fata Morgana in diesem Sinai ungewisser erster Schritte und ziellosen Stolperns. Dina ist molliger als Alice — bei unserer ersten Begegnung einer ihrer vielen Minuspunkte in meinen Augen. Aber als ich dann soviel wie möglich von mir an soviel wie möglich von ihr preßte, merkte ich, daß ich Dinas Molligkeit nicht als wabbelige Fettansammlung empfand, sondern wie eine Fülle von Haut, die sich wie Butter über ihre Knochen breitet. Ich wollte an ihr festkleben, mich einhüllen in ihre wohlige Decke, Fleisch von meinem Fleisch, Vergessen in ihrem weichen flauschigen Überzug finden. Vielleicht, dachte ich, als ich, noch ganz in meiner Berührungstrance, in sie glitt, habe ich endlich ein bequemes Bett gefunden.
Mein kaltes Sperma liegt in einem Kondom unter dem Nachttisch und gerinnt. Ich stehe auf, um mich darum zu kümmern, wofür ich meine Methode habe: Ich fülle das Kondom mit Wasser, knote es oben zu und spüle es die Toilette runter. Ich finde es besser, nicht bis zum Morgen mit der Prozedur zu warten. Einmal füllte ich ein Kondom mit Wasser, verknotete es, vergaß es am Rand des Waschbeckens und später, nach einem Besuch von meiner Mutter, der ein Großreinemachen einschloß, fand ich es sorgsam zwischen meine Zahnpasta und das Rasierzeug in den großen Emaillebecher drapiert.
Der Badezimmerspiegel mit seinem
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