Ab ins Bett!
uns einen Zuschuß für die Wohnung zu zahlen.«
»Haben Sie eine Arbeit?« fragt Dr. Prandarjarbash.
Obwohl er den Kopf gesenkt hat und sich ganz auf das Rezept konzentriert, das er gerade schreibt, sehe ich ein federleichtes Lächeln um seine Mundwinkel spielen.
»Entschuldigen Sie«, sagt er und setzt seine Unterschrift unter das Rezept, eine schnörkelige, selbstbewußte, erwachsene Unterschrift, der Spiegel seines stimmigen Selbstbilds. »Das geht mich nichts an. Ich fürchte nur, was so oft behauptet wird, ist wahr: daß es in Fällen wie dem Ihres Freundes für die Umgebung oft schwieriger ist als für den geistig Erkrankten selbst.«
Er hält mir das Rezept hin. Mit der anderen Hand schiebt er den blauen Vorhang ein Stück beiseite, um uns durchgehen zu lassen.
»Ich glaube«, sage ich und nehme das Rezept, »ich könnte selbst einen kleinen euphorischen Schub gebrauchen.«
Als wir, voller Befürchtungen, was Nick inzwischen dort angestellt haben mag, zum Warteraum zurückgehen, sage ich zu Dina: »Danke daß du mitgekommen bist.«
Sie lächelt mich an. Ich möchte den Arm um sie legen oder ihr in die Wange zwicken, irgendsowas, merke aber, daß ich unsicher bin, ob es im Moment das Richtige ist: Wirklich erstaunlich, wo ich mir vor ein paar Nächten doch so absolut sicher war, daß es in dem Moment genau das Richtige war, ihr meinen Penis in den Mund zu stecken. Aber kleinere Zuneigungsbeweise gehen einem halt nicht so schnell von der Hand.
»Schon in Ordnung. Wer hätte dich wohl allein mit deinem nackten Wohngenossen in der Mülltonne gelassen?«
»Jemand, der sich nicht einlassen will«, sage ich und merke, daß es viel gewichtiger klingt, als beabsichtigt. Ich meinte es wirklich nur in dem Sinne wie ein Mann, der an einer Bande weißer Jugendlicher vorbeigeht, die einem jungen Asiaten den Union Jack in die Stirn ritzen, sich nicht einlassen will.
Sie bleibt stehen und sieht mich an. »Haben wir uns denn aufeinander eingelassen?«
Typisch für mich zucke ich die Achseln, weiche aus. »Weiß ich nicht. Was meinst du?«
»Ich meiiiiine...«, sagt sie, »wenn du es irgendwann mal schaffst, ein Treffen zwischen uns beiden zu organisieren, du weißt schon, einfach eine Verabredung - nichts Spektakuläres oder so was, vielleicht ein Video ausleihen und angucken oder was in der Richtung, ohne daß am Schluß jemand stirbt oder verrückt wird—, falls es also je dazu kommt, daß wir einmal ein paar ganz normale Stunden zusammen verbringen, dann werde ich einschätzen können, ob wir uns aufeinander eingelassen haben oder nicht. Okay?«
»Okay«, sage ich und handle spontan, entsprechend meiner korrekten Einschätzung, daß jetzt der richtige Moment ist, sie in die Wange zu zwicken.
Als wir zu der inzwischen wieder in Reih und Glied aufgestellten Stuhlphalanx zurückkehren, schläft Nick an Frans Schulter in fast der gleichen Choreographie wie Dina vorher an meiner. Seine Lippen sind geöffnet, und obwohl keine Angelleine von Speichel heraushängt, sind seine Mundwinkel doch die Quelle des dunklen Flecks oben auf Frans Kartoffelsack. Der Fleck sieht wie Irland aus, oder genauer: wie ein Punch -Karikaturist es 1916 angesichts der irischen Selbstregierungsansprüche gezeichnet hätte.
»Na, und was hat euer Psychiater alles erzählt?« flüstert Fran uns entgegen — ja, ich habe tatsächlich den Eindruck, im Augenblick flüstert sie wirklich nur, weil Nick schläft — obwohl man natürlich nie wissen kann.
»Er hat uns das hier gegeben«, sage ich und zeige ihr das Rezept. Sie guckt es sich durch ihre türkisen Linsen an.
»Das könnt ihr vergessen«, sagt sie.
»Ach ja, können wir!« schnaubt Dina wütend. So sehr mir die Idee gefällt, daß die beiden gleich mit Fäusten aufeinander losgehen, schreite ich ein.
»Hör zu, Fran. Ich glaube dir ja, daß du nur das Beste für Nick willst. Aber ich finde, wir sollten tun, was der Doktor sagt.«
Sie reckt die Nase über dem Rezept in die Luft und gewährt mir einen Blick direkt in ihr Hirn. »Dieses Zeug macht die Leute zu Zombies.«
»Woher weißt du das.«
»Ich bin Apothekerin. Und früher war ich Krankenschwester in der Psychiatrie.«
Wie bitte?
»Wie bitte?«
»Ich habe im Maudsley-Krankenhaus in Südlondon gearbeitet.« Jetzt spricht sie so langsam, als würde sie eine einfache, aber hochwichtige Lektion erteilen. »Und da wurde mir dann endgültig klar, daß unsere Gesellschaft völlig falsche Vorstellungen von...«, sie macht mit den
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