Ab ins Bett!
Fingern Gänsefüßchen in die Luft und schaukelt dabei leicht Nicks Kopf hin und her, »»Geisteskrankheit hat.«
Ich gucke Dina ratlos an, was man davon jetzt halten soll. Aber sie verzieht keine Miene.
»Viele Leute, die in der Psychiatrie arbeiten, werden zum Schluß selber verrückt, was?« sagt Dina dann gepreßt.
Fran wendet sich zu ihr um, wobei sich ihr Kopf verdächtig wie der von Robocop dreht. »Irgendwann solltest du dir mal Zeit nehmen, mit jemandem zu reden, der herausfindet, was dich wirklich quält.«
»Na, ich sehe nicht viel Sinn darin, ’nem Psychotherapeuten fünf Jahre lang dreißig Pfund die Stunde für was zu bezahlen, was ich eh schon weiß...«, sie schießt mit dem Zeigefinger auf Fran zu, »...du bereitest mir Qualen.«
Fran nickt wie: Interessant , interessant. Noch eine aufschlußreiche Information für die Fallstudie, die ich gerade erarbeite. Ich glaube, es ist das unverschämteste Nicken, das ich je gesehen habe. Aber ich unterdrücke den Impuls, ihr eine runterzuhauen, und sage mit gesenkter Stimme: »Fran... ich erinnere mich, daß Nick sagte, als er dich kennenlernte, wärst du mit ein paar Leuten zusammengewesen, und ihr hättet eine Pfeife mit Dope rumgehen lassen?«
»Hmm... ja, kann schon sein.«
»Was für ’ne Sorte Dope war es denn?«
»Welche Sorte? Na, Haschisch, nehme ich an.« Dann schließt sie plötzlich die Augen. »Nein, warte mal... meine Freundin Mandy war gerade aus Nepal zurückgekommen und hatte ein bißchen Killa-Ernte dabei.«
»Killer-Ernte?«
»Kil la«, sagt Fran und reißt ihre Krautol-Augen auf. »Mit a. Fantastischer Stoff. Sieht ganz anders aus als normales Dope, eher wie eine kleine grüne Blume. Wunderschön. Warum? Soll ich dir was besorgen?«
Ich schüttele den Kopf. Selbst aus dem äußersten Rand meiner Augenwinkel erkenne ich, wie Dina darauf brennt, sie anzuschreien, daß alles ihre Schuld ist, daß ihre dämliche Droge für den Zerfall von meinem Freund und Wohngenossen verantwortlich ist, und daß sie sich ihre Killaknospen in ihren bewußtseinserweiterten Arsch stecken kann. Ich fasse Dina am Arm, um sie zurückzuhalten, und sie guckt mich verdutzt an.
»Es hat keinen Sinn«, sage ich. »Vergiß es.«
Das meine ich ernst. Fran gehört eindeutig zu den Leuten, die nie die Schuld für irgendwas auf sich nehmen, und da sie ja sowieso davon überzeugt ist, daß das, was mit Nick passiert, im Grunde positiv ist - ein Auf -Bruch - wird sie bloß die Idee bejubeln, daß ihre alberne Droge direkt dafür verantwortlich ist, und das Vergnügen gönne ich ihr nicht. Fran guckt mich weiter mit unschuldiger Blauäugigkeit, vielmehr Türkisäugigkeit an: und selbst darin liegt etwas Kalkuliertes, etwas Einstudiertes, ein: »Hier bin ich und gucke dich unschuldig und türkisäugig an«.
»Liegt dir etwas auf der Seele?« sagt sie in passend zum Blick moduliertem Ton.
»Ja, eins würde ich gern wissen«, sage ich, und ihre Züge verrutschen zu einem »Öffne dich mir, dazu bin ich da«.
»Wie kommst du an den Hut da?« frage ich.
14
»Happy birthday to you! Happy birthday to you! Happy birthday dear Mutti... «
Lächelnd, die Haare frisch in der Farbe ihres blauen Briefpapiers waschgetönt, beugt sich meine Großmutter über die Kerzen auf ihrer Torte, die kunstvoll mit Zuckergußmodellen der bedeutendsten Monumente von Gdansk aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg dekoriert ist. Sie macht einen gut kalkulierten tiefen Atemzug, so wie es nur jene können, für die das Atmen nicht mehr völlig selbstverständlich ist.
»Happy birthday to you!!!«
Ihre Falten glätten sich für einen Moment, während sie die Wangen aufbläst: Die kostbare Luft kommt eher wie asthmatischer Hauch aus ihren Lungen, erweist sich aber als kraftvoll genug, die Kerzen auszublasen, von denen es, glücklicherweise, bloß vier und nicht vierundachtzig gibt. Nur die rosane gedrechselte oben auf der Marienkirche, der mittelalterlichen, ganz Gdansk überragenden Kathedrale, die 1945 beim Ansturm russischer Artillerie zerstört wurde, erweist sich als widerspenstig und flackert wieder auf, nachdem ein winziges Rauchwölkchen um den Docht schon ihr Verlöschen anzukündigen schien.
»Oh!« sagt meine Großmutter durch den Applaus ihrer engsten Familie hindurch. »Die ist wie die makkabäische Lampe.«
Mitten im Applaudieren suchen Alices Mahagoniaugen instinktiv die Bens.
»Die makkabäische Lampe«, sagt er und legt seinen Mund auf eine Art an ihre Ohrmuschel, die
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