Ab ins Bett!
solche Sorgen um mich macht. Ich sehe sie dankbar an; als sie meinen Blick irgendwie kalt erwidert, wird mir dann klar, das sie weniger mich im Sinn hat als ihre Erfahrungen mit Miles. Sie weiß, wie gefährlich es ist, wenn Wahnsinn unüberwacht eskaliert. Wobei mir etwas einfällt.
»Herr Doktor«, sage ich, »ich glaube, wir haben vergessen, Ihnen etwas zu erzählen.«
Dr. Prandarjarbash neigt höflich den Kopf, eine Geste, die mir das fernöstliche Äquivalent für unser indigniertes Kopfrucken zu sein scheint.
»An dem Tag, als alles anfing, erzählte mir Nick, daß er übers Wochenende Dope geraucht hatte. Haschisch.«
Der Doktor nimmt seine schwarze, dickrandige Brille ab und reibt sich den Winkel seines linken Auges mit dem Zeigefinger, ziemlich wild, aber trotzdem so, als wüßte er genau, ab welchem Punkt Augenreiben gefährlich wird und er damit aufhören muß.
»Das hätten Sie mir gleich sagen sollen!« Er zieht seinen Finger von den Augen ab, die vorher schon so blutunterlaufen waren, daß sie auf den ebigen Ansturm gar nicht reagiert haben. Keine Frage, jetzt denkt er, wir hätten die Information mit Absicht zurückgehalten. Er glaubt, wir sind wie diese Kids in den Anti-Drogen-Spots, die auf die Frage hin, ob ihr Freund, der gerade in den OP gerollt wird, irgendwas Verbotenes genommen hat, verschlagen gucken und in Schauspielschul-Cockney sagen: »Irgendwelche Pillen. Wasweißich.« Aber so einer bin ich nicht, ich hab’s einfach vergessen. Mein Gott, es ist drei Uhr morgens. Das ist das Dumme bei diesen Leuten: Ihr Denken hat den Therapiebefall, und da kommt so etwas wie Zufall nicht vor. Aber das ist falsch: Die meisten Dinge geschehen zufällig.
»Aber ich bin mir sicher, er hat auch schon vorher Dope geraucht, und so was wie das hier jetzt ist nie passiert.«
»Das spielt keine Rolle. Wenn es eine Haschisch-Psychose ist, dann wird er...«
»Eine was?«
»Eine Haschisch-Psychose.«
Haben Sie davon schon mal gehört? Trotz all ihrer amerikanischen Erfahrungen zuckt Dina ratlos die Schultern, als ich sie fragend angucke.
»Gibt’s das oft?«
»Öfter als Sie vielleicht denken. Ich wollte lediglich sagen, auch wenn er schon vorher, vielleicht sogar regelmäßig, rauchte, so hat das weiter nichts zu bedeuten. Wenn jemand zu psychischem Ungleichgewicht neigt, kann so etwas plötzlich ausbrechen, sozusagen als Endresultat der über viele Jahre hinweg konsumierten Drogen. Auslöser können auch momentane zusätzliche Streß- und Belastungsfaktoren sein, die zu einem Nervenzusammenbruch disponieren, und dann kann die Droge als Katalysator wirken. Aber vielleicht war es auch einfach eine andere, neue Sorte von...«, er hält inne, mit seinen paarunddreißig jung genug, gern so zu tun, als sei er in der Sprache der Kids zu Hause, sich aber trotzdem bewußt, wie fehl am Platz das Szenewort inmitten seines abgehobenen Fachjargons wirken muß, »... Dope.«
Er nimmt sein Clipboard wieder vom fisch und klemmt es sich unter den Arm, eindeutig ein Kommen-wir-zum-Schluß-Signal.
»Und wie lange kann so was dauern?« frage ich.
»Kommt ganz darauf an. Ich gebe Ihnen ein Rezept für Chlorpromazin mit, und solange gewährleistet ist, daß er das Medikament auch wirklich nimmt... «
Trotz ihrer Müdigkeit schießt jetzt Dinas linke Augenbraue hoch, und meine auch, zumindest innerlich. Daß der Doktor, offenbar aus Erfahrung, so ausdrücklich die möglichen Schwierigkeiten betont, das Medikament zu verabreichen, eröffnet der Fantasie ein ganz neues Feld — eins voller Stampfer und Mörser, mit bläulichem Staub besprenktelter Eintöpfe, Jezebel, wie ihr beim Tierarzt für die Entwurmungstablette mit Gewalt der Mund aufgehalten wird (drei Mann waren nötig, und fragen Sie lieber nicht, was geschah, als der Arzt versuchte, ihr die Temperatur zu messen).
»...wird er möglicherweise in ein paar Wochen aus der Psychose herauskommen, falls es wirklich eine ist. Es kann allerdings auch bis zu zwei Jahren dauern.«
»Zwei Jahre! Ich kann doch nicht zwei Jahre mit einem Irren zusammenwohnen. Dann kriege ich einen Nervenzusammenbruch.«
»Du könntest immer noch ausziehen«, sagt Dina.
»Was, und ihn einfach dalassen, damit er den lieben langen Tag rumschizophreniert mit dieser... dieser Flihippie. «
Dina runzelt die Stirn. »Du meinst wohl Flippie.«
»Das war eine bewußte Zusammensetzung aus Flippie und Hippie.«
»Aha.«
»Außerdem habe ich vier Jahre gebraucht, das Sozialamt so weit zu kriegen,
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