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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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auf, seine Schwester nicht als Pißbeutel voll Dünnschiß zu titulieren, aber er hatte die Worte nur als Hintergrundgeräusch bei einem Telefongespräch mit meiner Mutter gehört. Außerhalb seiner eigenen vier Wände ist mein Vater immer sehr zurückhaltend, was allerdings nicht heißt, daß er nicht genauso reizbar wäre.
    »Wieso mußt du dich immer ausschließen? Kannst du dir nicht wenigstens heute mal einen Ruck geben?« spricht Ben für meine Mutter die Worte aus. Ben hat schon immer mehr unter dem traurigen Zustand der Beziehung meiner Eltern gelitten als ich; ich gehe mit dem Ganzen natürlich sehr ironisch und postmodern um, was keineswegs ein Abwehrmechanismus ist.
    »Ich...« Ich sehe deutlich, wie der Wortschatz meines Vaters Anlauf nimmt, schon von »verflucht« über »elendig« bei »beschissen« angelangt ist, ehe ihm klar wird, daß er ins Leere rennt. »...SCHLIESSE MICH NICHT AUS!!!!« Er schreit es mit voller Lautstärke, was ihn wohl für die verschluckten Flüche entschädigen soll.
    »Was sagt er?« fragt Mutti ihre Freundin Mrs. Gildart, die neben ihr sitzt und als einzige in der Versammlung nicht zur Familie gehört. Mrs. Gildart, Millie für die meisten, ist keine Bewohnerin des Liv Dashem-Heims, sondern eine alte Freundin von Mutti aus der Zeit, als sie noch in Wembley wohnte. Obwohl sie selbst zweiundachtzig ist, denkt Millie nicht daran, sich in einem Altersheim einkerkern zu lassen. Sie trägt eine Baskenmütze, und ihr Altsein hat nichts zu schaffen mit Liv Dashem-Heimen, Sich-am-Postschalter-anstellen, Fotos von Enkeln, enormer Unterwäsche und muffigen Fluren. Bei ihr denkt man an spanischen Bürgerkrieg, an W. H. Auden, und ihr Gesicht voller Runzeln erinnert an diese Schwarzweiß-Fotoporträts: Die Schönheit darin ist weit, weit gereist und dann wieder in es zurückgekehrt. Und ihr Geist - entgegen aller Hoffnung hoffst du, deiner wird eines Tages so sein, voller Wahrheit und Traurigkeit und Geschichten. Nicht gewillt, altersehrwürdig zu werden, hat sie gerade, wie sie mir vorhin erzählte, einen Computerkurs in einer Abendschule belegt.
    »Er meint, er schließt sich nicht aus, Eva«, sagt Millie.
    »Ach ja? Meint er das?« sagt Mutti und ihre Stimme schwillt zu jener beängstigenden Lautstärke an, die man bei alten Leuten nie vermutet. »Er sitzt da und spricht mit niemandem ein Wort. Gibt mir nicht mal an meinem Geburtstag die Hand, nickt bloß zu mir hin, so...« Sie senkt den Kopf und zieht dabei ihre Mundwinkel grotesk weit herab. »Er singt nicht, er bringt mir nichts mit.«
    Mein Dad knallt wütend das Buch auf den Tisch, steht auf und stapft aus dem Raum. Onkel Rays rechtes Auge folgt ihm, sein linkes irgendeinem unsichtbaren Kreisel. Tante Edie läßt die Hände durch die Luft schweben und spitzt den Mund, als wollte sie gleich sagen »a-a-a-ber...«; Tanya und Maurice sehen sich weiter selbstvergessen an. Ben und Alice senken verlegen den Blick. Tante
    Avril lächelt in sich hinein, wiegt sich selbstzufrieden in ihrer Bitterkeit und der Überzeugung, daß die Institution Ehe ein ausgemachter Schwindel ist. Millie seufzt. Am anderen Ende des Zimmers drückt Mr. Fingelstone seinen Ärger laut und vernehmlich aus und schüttelt seine Jewish Chronicle aus; Simon stützt das Kinn auf die Hand und trommelt sich wiederholt mit den Fingern auf die Wange; Mutti starrt finster geradeaus, mit verstocktem Gesicht, die Mundwinkel zusammengekniffen, bereit, jedem zu trotzen, der die Berechtigung ihrer Empörung in Zweifel zieht. Ich huste. Meine Mutter nimmt ihre Brille ab und fängt an sie zu putzen.

    »irgendwas bringt jeden mit der Zeit um<«, sagt Mutti und betont sorgfältig jedes Wort. »>Nimm meine Großmutter, sie starb an Taubheit. Starb an Taubheit?«< fährt sie fort, wobei sie die verteilten Rollen im Dialog mit exakt der gleichen Stimme liest. »>Ja, eine Dampfwalze kam hinter ihr angerollt, und sie hörte sie nicht. Dann starb sie nicht an Taubheit... sie starb an Dampfwalzen«
    Kurzes Schweigen. Mutti legt Rommel? Gunner Who? wieder hin und guckt leicht verwirrt in die Runde. Meine Mutter und Tante Edie lächeln ihr aufmunternd zu, als hätten sie viel von der Lesung gelernt. Mutti zuckt die Achseln. Seit meines Vaters Abgang hat sich die Atmosphäre im Raum ein wenig entspannt. In kleinen Gruppen sitzen wir um das Sofa herum; die Gdansk-Torte ist aufgeteilt, und Hunderte von lindgrünen Heimtassen und Untertassen sind aus dem Nirgendwo aufgetaucht, um kupfernen

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