Ab ins Bett!
oft bloß was Aufgesetztes ist, um sich interessant zu machen, oder wenigstens der Erforschung wert, spüre ich, daß hinter Dinas Rätselhaftigkeit eine wirkliche Triebkraft steht.
Vielleicht denken Sie ja, Dina und ich kennen uns noch nicht lang genug, um schon jenen Gipfel erklimmen zu wollen, der meines Wissens für viele Leute die Krone des Besondere-sexuelle-Vorlieben-Baums ist, aber Dina ist recht experimentierfreudig. Die ganze Nacht durch hauchte sie: »Sag mir, was dir gefällt. Sag mir, was du magst.« Würstchen, sagte ich schließlich. Die Carpenters. Dina fand das einen schlechten Witz, in dem sich bloß meine Verklemmtheit zeige. Sie will, daß ich beim Sex mit ihr spreche. Aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Was vielleicht damit zusammenhängt, daß ich mir zu viele Leute angeguckt hab, die beim Sex reden. Was die sagen, weiß ich: »O jaah, Baby«, »Besorg’s mir«, »Gefällt dir das? Mein Schwanz in deinem Arsch, das gefällt dir, wie?« »Ooh! Ooh! Ooh!«, »Ja, meine Titten, fick meine Titten«, »Hahahaha!« So was kann ich nicht sagen, höchstens, wenn ich mir vorher einen Moustache wachsen lasse und die Wohnung lila übertünche. Da sie also eine ernste Antwort erwartete, entschied ich mich für die klare: analer Sex.
Genau das wollte ich schon immer, sagte ich, als hätte mir gerade jemand zu Weihnachten ein Buch geschenkt.
»Ja-aa...«, machte Dina und drehte sich auf den Rücken.
»Was ist los?«
»Ich glaub, das wäre keine gute Idee.«
»Warum nicht?«
»Warum nicht? Das kannst du dir wohl selber denken...«
»Frauen halten besser Schmerzen aus als Männer.«
»Jaja«, sagte Dina und hob eine Braue.
»Wenns weh tut, hören wir natürlich auf.«
»Das klingt«, sagte sie und drehte sich auf die Seite, um mich anzusehen, »als hättest du den Satz schon öfter geprobt. Könnte es zufällig sein, daß du das schon mal von jemandem wolltest?«
Ich stülpte meine Unterlippe über die obere, als kramte ich in meinem Gedächtnis.
»Findest du nicht auch, daß Alice und Ben im Augenblick ein bißchen... komisch wirken?« fragte sie und trommelte mit den Fingern aufs Kopfkissen.
»Aha, jetzt reden wir also nicht mehr über Sex?«
»Nein. Sie wirken verkrampft, jedenfalls für ihre Verhältnisse. Obwohl längst nicht so wie meine Schließmuskeln in den letzten fünf Minuten.«
»Du mußt es besser wissen als ich. Du siehst sie ja die ganze Zeit.« Mir fiel auf, daß inzwischen nicht nur von analem Sex keine Rede mehr war, sondern von überhaupt keinem Sex. Ich streckte die Hand aus und fühlte meine Finger eine Sekunde in ihren malvenen Schenkel sinken, ehe sie sie wegschob. »Ich weiß nicht, zuerst dachte ich, sie fühlen sich einfach nicht so richtig wohl mit...«, sie machte eine Pause, wie ein Fallschirmspringer kurz vor dem Absprung, »uns zweien zusammen.«
Ich ließ das kommentarlos durchgehen. »Und jetzt?«
»Inzwischen glaube ich...«, sie schob den Mund hin und her, als hätte sie ein imaginäres Kaugummi darin, »...was ihnen zu schaffen macht, hat nichts mit uns zu tun. Denn die gleiche Spannung habe ich bei ihnen zu Hause erlebt. Nicht die ganze Zeit. Hin und wieder.«
»Warum sprichst du nicht mit Alice darüber?«
Dina schnitt eine Grimasse. »Wir... reden nicht viel über unser Gefühlsleben. Na ja - über ihres nicht. Wohl, weil bei ihr immer alles so glatt läuft. Was gäb’s da schon zu bereden?«
»Aber du sprichst mit ihr über dein...«
»Ein bißchen«, sagte sie und schaukelte mit dem Kopf. »Aber ich finde es ziemlich frustrierend, sich Ratschläge von jemandem anzuhören, der selbst nie welche braucht.« Sie lächelte, mehr in sich hinein als mich an. »Man will auch den Schrott von jemand anderm hören, wenn man seinen eigenen erzählt.«
Eine kurze Stille. »Dann hat es also vorher noch nie jemand von dir gewollt?«
Eine Sekunde guckte Dina mich verständnislos an. »Schon möglich«, sagte sie dann mit einem ironischen Aufblitzen im Gesicht.
»...Miles?« fragte ich nach einem kleinen inneren Disput, ob es nicht zu taktlos war, einen unsanft Verstorbenen in ein solches Thema zu verwickeln.
Dina guckte plötzlich beklommen vor sich hin, was ich als Reaktion auf die bloße Erwähnung von Miles verstand.
»Tut mir leid, ich...«
»Ist schon in Ordnung.« Ihre Pupillen zogen sich zu einem so winzigen Punkt zusammen, daß sie bestimmt nichts mehr sehen konnte in diesem Licht. Sie schien etwas hin und her zu wälzen. »Na, dann fick mich
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