Ab ins Bett!
ihn kaputtgekaut«, sagt Dina, kniet sich hin und zieht die Kassette raus, die Meter um Meter von braunem Band ausspuckt.
»So ein Kack«, sagt Fran das zickige Schimpfwort, das ich schon immer gehaßt habe. »Gerade, wo er anfing, mir zu gefallen.«
Eine Erleichterung wie beim Schrillen der Schulferienglocke erfüllt den Raum, und zum ersten Mal sehe ich den Vorteil von Geräten ein, die lieber ihre eigenen Lifestyle-Entscheidungen treffen.
16
Ich glaube fast, Dina ist auf dem besten Weg, meine geheime Herzenssehnsucht zu werden. Ich habe etwas sehr, sehr Dummes gemacht. Letzte Nacht, im Moment höchster Ekstase und Lust, sagte ich leise, ohne nachzudenken das A-Wort.
Nein, nicht Alice, Sie Schlaumeier! So dumm bin ich auch wieder nicht. Analer Sex. Oder vielmehr... analer Sex? So habe ich es gesagt; mit einem hoffnungsvollen, fragenden »Hast du je daran gedacht...?«-Ton.
Ich weiß, jetzt denken manche von Ihnen bestimmt: Um Gottes willen, das war schon die dritte Anspielung! Der hat eine anale Obsession! Und damit haben Sie völlig recht. Wenn ich ein Buch mit Zitaten unserer alten Dichter durchblättere, dann stoße ich nur sehr selten auf was, das mich wirklich anspricht, die Saiten in meiner Seele zum Klingen bringt, und wo ich spüre, daß ich mit meinen verqueren Wünschen nicht allein bin. »Sei reinlich bei Tage und säuisch bei Nacht.« Oder: »Und aufm Heu und auf Stroh jauchzten wir die dulce jubilo.« Aber die Zeilen, die mich wirklich umhauten, die die Glocke der Seelenverwandtschaft am klangvollsten läuteten und mir bestätigten, daß irgendwo im Universum eine andere Version von mir existiert, standen in dem alten Londoner Magazin City Limits. Das Zitat stammte aus einem Buch mit dem Titel Transgression, das ich in keiner Buchhandlung finden konnte, und auch von dem Autor, James Havoc, hatte ich nie gehört: »Je dichter ich dem Anus einer Frau komme, desto näher fühle ich mich dem Himmel.« Ist das nicht schrecklich? Daß es ausgerechnet dieses Zitat ist?
Wissen Sie, manchmal bin ich mir gar nicht mal so sicher, ob es analer Sex ist, auf den ich so wild bin; der weibliche Anus fasziniert mich dermaßen, daß ich es im Grunde jammerschade finde, mir den Blick darauf mit meinem Penis zu versperren. »Scheu und schamhaft, da auf meinem Bette, die köstliche violette Rosette«, sagt Craig Raine in seinem Gedicht Arsehole (ein durch und durch verdienstvolles Werk, auch wenn offenkundig ohne jeden Gedanken an zukünftige Erörterung in Seminaren über moderne englische Poesie geschrieben: »Nun, wenn wir uns Craig Rain’s Arsehole näher betrachten...«). Jedenfalls hat Craig recht, wenn er den Anus mit Metaphern von Schüchternheit beschreibt, denn darin liegt ja das eigentlich Erotisierende: daß er sich nur sehr zögernd enthüllt. Aber wenn er sich zeigt... ja, dann gehört für mich eine gewisse Verlegenheit und Schamhaftigkeit einfach dazu. Und, glauben Sie mir, jemanden zu bitten, daß er einem seinen Anus zeigt, wird fast immer ein bißchen von beidem hervorrufen. Na, wahrscheinlich geht’s bei dem Ganzen bloß mal wieder um Macht: durch sein patriarchalisches Glotzen verletzt man die Privatsphäre des Objekts der Begierde. Und sich das Arschloch von jemand angucken ist nun wirklich eine immenser Übergriff auf den Intimbereich. Besonders gefällt mir dabei, daß die Pobacken, wie ein Bühnenvorhang, geteilt werden müssen, um den Blick darauf zu vergönnen, wodurch die Sache zu einer noch aufregenderen A-Show wird.
Aber manchmal ist es schlicht Sex, was ich will. Und mehr als bei jeder anderen Form von Sex ist beim analen der Kopf beteiligt: Die Erotik liegt darin, daß man weiß, was man tut. Über den unmittelbaren körperlichen Kick hinaus gibt es dieses Wissen. Aller Sex ist im Grunde nichts anderes als Wissensdurst, Neugier auf die andere Person. Penetration ist Erforschen, der Penis die Grubenlampe (ich spreche natürlich nur für den Mann, denn, was Frauen betrifft, verfüge ich trotz all meiner Forschungen nicht über das nötige Wissen). Irgendwo tief im Körper einer Frau liegt ihr Geheimnis verborgen, aber oft führt der naheliegendste Weg nicht dorthin, während man bei der anderen Route (die man vielleicht aus kindischen Gründen mit Dunkelheit und Gefahr assoziiert) das Gefühl hat, sie müsse direkt ins Zentrum des anderen führen. Bei Dina spürte ich einen ganz besonderen Wissensdurst, weil ständig diese geheimnisvolle Aura um sie hängt, und obwohl so eine Aura
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