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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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und seltsamerweise fühlte Anna sich besser, als sie jemand anderen sah, der sich ebenfalls Sorgen machte.
    »Keine Waffen in der Walze, sa sa?«, sagte Serge zu den bewaffneten Gürtlern. Die Lautstärke verdeutlichte allerdings, dass er auch zu den Zuschauern sprach. »Lasst sie fallen.«
    »Ihr habt Waffen«, erwiderte eine Gürtlerin höhnisch. Sie hatte ein Gewehr.
    »Wir sind die Cops«, erwiderte Serge, legte eine Hand auf den Kolben seiner Pistole und grinste sie an.
    »Nicht mehr«, erwiderte sie, drehte mit einer schnellen Bewegung das Gewehr herum und schoss ihm in den Kopf. In der Stirn erschien ein winziges Loch, eine rosafarbene Wolke sprühte hinter ihm in die Luft. Er ging langsam zu Boden, der verwirrte Ausdruck hielt sich auf seinem Gesicht.
    Annas Kehle wurde eng, sie krümmte sich und keuchte, um sich nicht zu übergeben. »Jesus Christus«, sagte Tilly erstickt. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Situation von beunruhigend zu entsetzlich verändert hatte, raubte Anna den Atem. Ich habe gerade gesehen, wie einem Mann das Gehirn zerschossen wurde. Selbst nach der schrecklichen Katastrophe in der langsamen Zone war dies das Schlimmste, was sie je erlebt hatte. Der Wachmann hatte nicht damit gerechnet, dass die Frau auf ihn schießen würde, er hatte die Bedrohung unterschätzt und dafür mit dem Leben bezahlt.
    Als ihr dieser Gedanke kam, erbrach Anna sich auf ihre Schuhe und sank würgend auf die Knie. Tilly hockte sich neben sie und bemerkte nicht einmal, dass die Knie ihrer Hosen in einer Lache aus Erbrochenem landeten. Tilly umarmte sie einen Augenblick lang. »Wir müssen verschwinden.« Anna nickte nur. Sie konnte nicht den Mund öffnen, weil sie fürchtete, sich sofort wieder übergeben zu müssen. Ein Dutzend Meter entfernt entwaffneten die Gürtler die Wachleute und fesselten ihnen mit Plastikbändern hinter dem Rücken die Arme.
    Wenigstens erschossen sie niemanden mehr.
    Tilly zog sie hoch, und dann liefen sie ins Zelt zurück. Jeder Gedanke ans Essen war ihnen vergangen. »Auf diesem Schiff passiert etwas sehr Übles«, erklärte Tilly. Anna musste ein nervöses Kichern unterdrücken. Es musste wirklich sehr schlecht aussehen, wenn Tilly angesichts der gegenwärtigen Umstände der Ansicht war, die Situation habe sich verschlimmert. Gewiss, sie waren in der Umlaufbahn um eine außerirdische Raumstation gefangen, die immer wieder die physikalischen Gesetze veränderte und eine ganze Menge Menschen getötet hatte. Aber jetzt hatten sie begonnen, aufeinander zu schießen.
    Ja, das ist wirklich sehr übel.
    Etwa eine Stunde nach der Schießerei suchte Hector Cortez Tillys Zelt auf. Anna und Tilly hatten die ganze Zeit auf dem Boden gelegen und Tillys wenige Möbelstücke ringsherum als Barriere aufgebaut. Für Anna fühlte es sich an wie ein magisches Ritual. Nichts in dem Raum war wirklich in der Lage, eine Kugel aufzuhalten, aber sie taten es trotzdem. Eine Festung aus Decken, um die Monster draußen zu halten.
    Glücklicherweise waren keine weiteren Schüsse gefallen.
    Wenn sie hin und wieder aus dem Zelt spähten, sahen sie kleine Gruppen von jeweils zwei oder drei bewaffneten Gürtlern, die im zivilen Bereich patrouillierten. Anna vermied es, sie anzublicken, und die Bewaffneten ignorierten sie.
    Als Cortez kam, räusperte er sich zunächst laut außerhalb des Zelts und fragte, ob er eintreten dürfe. Sie hatten beide Angst zu antworten, doch er kam auch ohne Einladung herein. Draußen warteten mehrere Leute auf ihn. Anna konnte nicht erkennen, wer es war.
    Er sah sich in dem düsteren Zelt um, blickte über die dürftige Barrikade hinweg und zog einen Stuhl heran, auf den er sich setzte, ohne einen Kommentar abzugeben.
    »Die Schießerei ist vorbei, Sie können sich wieder aufrecht hinsetzen«, sagte er und deutete auf die anderen Stühle. Er sah besser aus als vor einer Weile. Der Anzug war gereinigt, und irgendwie hatte er es geschafft, sich die dichten weißen Haare zu waschen. Das war aber noch nicht alles. Ein Teil seines alten Selbstbewusstseins war wieder da. Er wirkte zuversichtlich und als hätte er alles im Griff. Anna stand auf und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Nach kurzem Zögern folgte Tilly ihrem Beispiel.
    »Es tut mir leid, dass Sie sich geängstigt haben.« Cortez’ Lächeln verriet, wie wenig ernst es ihm damit war.
    »Was ist los, Hank?« Tilly kniff die Augen zusammen. Sie nahm eine Zigarette aus dem Etui und spielte damit herum, ohne sie anzuzünden. »Was

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