Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Kinder.« Anna stand auf, als sie ihn zurechtwies. »Wir verbrennen uns die Hände an einem heißen Ofen und denken, die Lösung bestehe darin, alle Öfen in die Luft zu jagen.«
»Eros«, wollte Cortez einwenden.
»Wir selbst haben das getan! Dazu noch Ganymed, Phoebe und alles andere. Wir haben es getan. Wir handeln, ohne nachzudenken, und Sie sehen die Lösung darin, das Gleiche noch einmal zu tun. Sie haben sich mit dummen, gewalttätigen Männern verbündet und versuchen sich nun selbst davon zu überzeugen, dass es irgendjemandem hilft, wenn man dumm und gewalttätig ist. Das macht auch Sie dumm. Ich werde Ihnen niemals helfen. Von jetzt an werde ich Sie bekämpfen.«
Cortez stand auf und rief die Leute, die draußen warteten. Ein Gürtler mit Brustpanzer und einem Gewehr betrat das Zelt.
»Wollen Sie jetzt auch mich erschießen?« Anna legte ihre ganze Verachtung in die Worte.
Cortez drehte sich um und ging mit dem Bewaffneten weg.
Anna sank auf den Stuhl. Ihre Beine waren weich und konnten sie nicht mehr tragen. Sie krümmte sich, wiegte sich vor und zurück und atmete gedehnt und schaudernd ein, um sich zu beruhigen. Aus irgendeinem Grund verlor sie nicht das Bewusstsein.
»Hat er Ihnen wehgetan?«, sagte Tilly hinter ihr. Die Freundin legte ihr sanft eine Hand in den Nacken, als sie sich wiegte.
»Nein«, antwortete Anna. Oberflächlich betrachtet entsprach das sogar der Wahrheit.
»Oh, Annie. Sie haben Claire. Sie wollten mich nicht mit ihr reden lassen. Ich weiß nicht, ob sie eine Geisel oder …«
Impulsiv sprang Anna auf und lief aus dem Zelt. Die Männer gingen sicherlich zu dem Aufzug, der an der Seite der Walze verlief und zu den Durchgängen zum Kommandodeck und dem Maschinenraum führte. Sie wollten zur Brücke. Männer wie Cortez und Ashford wollten das Kommando haben und hielten sich auf der Brücke auf. So schnell es ihre Beine zuließen, rannte sie zum Aufzug. Sie war seit Jahren nicht mehr gerannt, denn sie hatte auf einer kleinen Station gelebt, die man aus dem Eis von Europa herausgeschnitten hatte. Dort musste man niemals rennen. Schon nach wenigen Schritten war sie außer Atem, doch sie unterdrückte die Übelkeit und das Seitenstechen und trieb sich weiter an.
Sie erreichte den Aufzug, als Cortez und seine kleine Truppe Waffen schwingender Ganoven ihn betrat. Clarissa stand hinter der Gruppe. Klein und zerbrechlich erschien sie zwischen den gepanzerten Soldaten. Als die Tür zuglitt, lächelte sie Anna zu und hob eine Hand zum Gruß.
Dann war sie fort.
40 Holden
»Hallo, Käpt’n«, sagte Amos von seinem Bett aus. »Das war die dritte bewaffnete Streife, die binnen drei Stunden hier vorbeigekommen ist. Da geht irgendein Scheiß ab.«
»Ich weiß«, antwortete Holden leise. Es war nicht zu übersehen, dass sich die Situation auf der Behemoth verändert hatte. Bewaffnete mit harten Mienen liefen durch die Gänge. Einige hatten eine Ärztin zur Seite genommen, kurz und heftig mit ihr gestritten und einen Patienten in Fesseln abgeführt. Es sah sehr nach einem Handstreich aus, aber laut Naomi hatte der Sicherheitschef Bull bereits gemeutert und den ursprünglichen Gürtler-Kapitän abgesetzt. Es war nichts geschehen, was Bull veranlassen konnte, auf einmal viel mehr Stiefel knallen zu lassen oder Verhaftungen vorzunehmen.
Es war, als braute sich ein Bürgerkrieg zusammen oder würde gerade unterdrückt.
»Sollten wir etwas unternehmen?«, fragte Amos.
Ja, dachte Holden. Wir sollten etwas unternehmen. Wir sollten zur Rosinante zurückkehren und uns verstecken, bis Miller getan hat, was er tun wollte, und die Schiffe in der langsamen Zone befreit hat. Dann sollten sie mit größtmöglichem Schub verschwinden und nie mehr zurückkehren. Leider war seine Crew auf der Krankenstation, und es gab nicht viele Mitfahrgelegenheiten zu seinem Schiff.
»Nein«, antwortete er. »Erst müssen wir in Erfahrung bringen, was vor sich geht. Ich bin gerade aus einem Gefängnis herausgekommen und habe keine Lust, gleich wieder in einem zu landen.«
Alex richtete sich im Bett auf und stöhnte vor Anstrengung. Sein Schädel war mit blutbefleckten Verbänden bedeckt, und die linke Gesichtshälfte wirkte aufgedunsen und weich. Bei der Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit war er mit dem Gesicht voran in einen Bildschirm im Cockpit geflogen. Wäre er nicht angeschnallt gewesen, dann wäre er vermutlich tot.
»Vielleicht sollten wir erst mal eine ruhige Gegend finden, um unterzutauchen«,
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