Abaddons Tor: Roman (German Edition)
schmiegten sich seitlich an die Deckung der Gegner, gaben einige Schüsse ab und zogen sofort wieder die Köpfe ein. Der Geruch von Schießpulver wehte herbei.
»Wo ist Naomi?«, rief Bull. Er hatte keine klare Vorstellung, ob das technische Personal, das außer Ruiz dort drinnen war, weiterhin zu Pa hielt, und falls ihre einzige echte Ingenieurin umkam, ehe sie überhaupt das Maschinendeck erreichten, würde er sehr ungehalten reagieren. Jenseits der Barriere explodierte etwas, zwei Tote flogen durch die Luft. Das Licht war hinter ihnen, er konnte nicht erkennen, ob es seine eigenen oder Ashfords Leute waren. Am letzten Karren hielt er an. Die Schlacht tobte immer noch ein ganzes Stück vor ihm und hatte schon fast auf den Transferpunkt selbst übergegriffen. Das war gut, denn dies bedeutete, dass sie siegten.
Am Lenkrad des Karrens saß noch ein Mann, schätzungsweise Anfang zwanzig Jahre alt, braune Haut und Stoppelhaar. Das Loch in der Brust blutete schon nicht mehr, die Augen waren leer. Bull empfand einen Moment lang Bedauern und schob das Gefühl sofort wieder weg. Er hatte es gewusst. Sie hatten es alle gewusst. Nicht erst seit Beginn des Kampfes, sondern bereits seit sie die Behemoth betreten hatten und bis weit hinter die fernsten menschlichen Siedlungen vorgestoßen waren, hatten sie gewusst, dass sie möglicherweise nicht zurückkehren würden. Vielleicht hatten sie sogar geahnt, dass sie nicht einmal durch den Ring, sondern durch die Hand der Menschen auf ihrem Schiff zu Tode kommen würden. Durch Menschen wie Ashford und ihn selbst.
»Tut mir leid, ese«, sagte Bull und stieß die Joysticks nach vorn.
Ashfords Männer zogen sich zurück, daran bestand jetzt kein Zweifel mehr. Verbinski und sein Team beharkten sie mit einem vernichtenden, professionellen Kugelhagel. Der Scharfschütze namens Juarez schoss nicht oft, aber wenn er abdrückte, dann schaltete er jedes Mal einen Gegner aus. Die Kombination aus beständigem automatischem Feuer und dem seltenen, aber durchweg tödlichen Knallen von Juarez’ Gewehr trieb die Feinde zurück zum Transferpunkt, als werde beim Schachspiel die Dame eingekesselt. Nicht einmal die stärksten Waffen, die Ashfords Seite aufbieten konnte, fanden ein Ziel, während Verbinski den Druck aufrechterhielt und immer weiter vorstieß, bis Ashfords Helfer schließlich aufgaben und wegliefen.
Der Transferpunkt selbst war ein kurzer Gang mit druckdichten Türen an beiden Enden, die im Notfall geschlossen werden konnten. Bull registrierte, wie die großen, rot lackierten und kreisrunden Luken stöhnend vor die Öffnungen rollten. Sie würden nicht ausreichen, um Bull und seine Leute wirklich aufzuhalten, konnten ihren Vorstoß aber deutlich verlangsamen. Vielleicht zu sehr.
»Angriff!« Bull bekam sofort einen Hustenanfall, den er nicht mehr unterdrücken konnte. Sobald es ihm möglich war, krächzte er: »Macht schon, ihr Dreckskerle! Geht da rein, ehe sie uns aussperren!«
Mit knatternden Waffen rückten sie vor. Der Lärm war ohrenbetäubend, und Bull konnte sich kaum vorstellen, wie es aus größerer Entfernung klang. Ferner Donner in einem Land, in dem es nie geregnet hatte. Er fuhr seinen Mech auf knallenden Magnetfüßen hinüber, während sich die Türen langsam schlossen. Er war einer der Letzten im Korridor. Am anderen Ende stand eine Wolke aus Rauch und Blut in der Luft. Dort unten war die Tür beinahe zugefahren, doch an der Seite steckte Naomi Nagata bis zu den Ellenbogen im Wartungsschacht. Holden wachte hinter ihr, ein Sturmgewehr in jeder Hand. Die Frau zog etwas heraus, ein Schauer schwarzer Tropfen sprühte in den leeren Korridor, und der stechende Geruch der Hydraulikflüssigkeit verbreitete sich in der Luft. Die Tür schloss sich nicht weiter.
In diesem Chaos war es schwer zu erkennen, doch Bull schätzte, dass er immer noch fünfzehn bis zwanzig kampffähige Leute hatte. Das war nicht überragend, aber es hätte schlimmer sein können. Sobald sie das Maschinendeck erreicht hatten, würde sich die Lage verbessern. Dort fanden sie Deckung. Die ersten paar Meter jenseits der zweiten Tür waren allerdings eine Todeszone. Durch diesen Bereich mussten er und seine Leute vorstoßen, ehe sie sicheres Gelände erreichten. Wenn Ashfords Leute überhaupt ein bisschen Gefühl für Taktik hatten, dann versammelten sie sich dort und achteten genau auf jede Bewegung.
Es war ein Patt, und er musste derjenige sein, der es auflöste. Verbinski segelte vorbei. In der
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