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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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katapultieren.
    »Luftschleuse des Aufzugschachts«, befahl Bull. »Rückzug.«
    »Alle zurück«, rief Naomi ins Handterminal. »Wir ziehen uns auf mein Kommando zum Aufzugschacht zurück. Los!«
    Naomi zog ihn herum, packte ihn von hinten mit einem Rettungsgriff und stieß sich ab. Sofort begannen die Gegner zu schießen. Bull bemerkte, wie eine Frau einen Schuss ins Bein bekam. Voller Schmerzen verzog sie das Gesicht, das Blut spritzte aus der Wunde. Tut mir leid, dachte er.
    Vor ihnen erhob sich die Außenwand der Luftschleuse am Aufzugschacht. Naomi löste sich von ihm und landete mit der Anmut einer Frau, die unter null G geboren wurde, auf der Wand. Zwei Leute folgten ihnen, beide waren marsianische Marinesoldaten. Er erkannte den Mann, der Juarez hieß, und die Frau namens Cass. Naomi drückte auf die Steuerung, und der Zugang zur Luftschleuse schloss sich. Als der Spalt schon zu schmal für einen menschlichen Körper zu sein schien, kamen zwei weitere Leute durch: Sergeant Verbinski und ein Mann aus dem Sicherheitsteam, der Bull treu geblieben war.
    In Bulls Kopf drehte sich alles. Er fühlte sich, als wäre er unter der heißen Sonne New Mexicos dreißig Kilometer gelaufen. Als er die Hände zusammenklatschte, wollte er nicht nur die Aufmerksamkeit der anderen in der Luftschleuse erregen, sondern vor allem sich selbst wieder zu Sinnen bringen.
    »Im Schacht herrscht Vakuum«, sagte er. »Wenn wir raus wollen, brauchen wir Anzüge. Die Spinde sind da drüben. Lasst uns sehen, was wir haben.« Etwas donnerte laut gegen die Tür der Luftschleuse, gleich darauf noch einmal. »Wir sollten uns wohl beeilen«, ergänzte er.
    »Sie passen da nicht rein«, schaltete sich Verbinski ein. »Nicht mit diesem Ding.«
    »Ja«, gab Bull zu. »Stimmt schon.«
    »Kommen Sie, großer Junge«, fuhr der Sergeant fort. »Wir holen Sie aus der Kiste raus.«
    Nein, wollte Bull sagen. Mir geht es gut hier. Doch Juarez und der andere Marinesoldat pflückten ihn bereits aus der Klammer und aus dem Mech, den Sam für ihn umgebaut hatte. Er war wieder ein Krüppel. Nein, das traf nicht zu. Er war seit der Katastrophe verkrüppelt. Jetzt hatte er nur ein Werkzeug verloren.
    Er war schon mit weniger zurechtgekommen.
    Das Klopfen an der Luftschleuse wurde lauter und heftiger. Neben den Schlägen war ein reißendes Geräusch zu hören. Er stellte sich vor, wie die motorgetriebene Rüstung mit den kraftvollen Fingern das Metall packte, in Streifen riss und das Schiff zerlegte. Er zog sich am Mech entlang. Unterleib und Beine schwebten hinter ihm und waren nutzlos wie ein Kinderdrachen. Er öffnete das Lagerfach und nahm die restliche Munition und sein Handterminal heraus. Im ersten Moment erkannte er das flache schwarze Päckchen nicht, das daneben lag. Dann erinnerte er sich.
    »Wenn wir nicht bleiben wollen, dann sollten wir jetzt verschwinden«, drängte Verbinski.
    »Los.« Bull schob sich die Granaten in die Tasche am Schenkel des EVA-Anzugs.
    Naomi setzte die Tür zum Schacht in Gang. Als die Luft entwich, nahm der Lärm, den die Angreifer machten, ab, und dann öffnete sich unter ihnen der Schacht. Ein ganzer Kilometer bis zum verklemmten Aufzug, und dann noch einmal ein Kilometer bis … wohin eigentlich? Bis zu Ashford? Bis zum sicheren Tod? Bull wusste nicht mehr, wovor er weglief und wohin er floh.
    Nacheinander stießen sie sich ab und zogen sich durch das Vakuum. Verbinski und der Wachmann, Naomi und der Marinesoldat, dann Bull und Juarez. Ohne ausdrückliche Absprache hatten sie Zweierteams von Leuten gebildet, die nicht zusammengehörten. Bulls schwindender Verstand hielt das für wichtig.
    »Juarez?«, fragte Verbinski über Funk. Bull war überrascht, seine Stimme zu hören.
    »Sir?«
    »Können Sie die Visiere knacken, wenn Sie eine gute Schussposition bekommen?«
    »Bei Ihrem Anzug vielleicht«, erwiderte Juarez. »Meinen habe ich immer gut gewartet.«
    »Tun Sie, was Sie können«, befahl Verbinski.
    Bull spürte es, als die feindlichen Soldaten die Luftschleuse aufbrachen. Er konnte nicht einmal genau sagen, was es war, vielleicht eine kleine Erschütterung oder ein hauchdünner Strahl entweichender Luft. Er blickte an seinen toten Füßen vorbei und bemerkte ein Licht am Grund des Schachts, wo keines sein sollte. Wahrscheinlich schlugen auf dem Maschinendeck gerade tausend verschiedene Sicherheitssysteme an. Er hoffte es. Weit unter sich sah er einen Mündungsblitz, doch da sie den Angreifern so weit voraus waren,

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