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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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aus, und sie bliebe im Aufzug stecken. Ihre Gedanken schweiften ab, und sie sah einen Moment lang ihren Spind vor sich. Den Schrank in ihrer Kabine. Den Spind, der mit Dichtungsschaum und Ren ausgefüllt war. Sie schauderte und dachte an etwas anderes.
    Die Thomas Prince zählte zu den größeren Schiffen der Erdflotte und war die Heimat der zivilen Truppe, die die UN zusammengestellt hatten: Künstler, Dichter, Philosophen, Priester. Das physische Erscheinungsbild hatte sich nicht verändert, und doch entstand der Eindruck, es handelte sich nicht um eine Militäreinheit, sondern um ein unzulänglich eingerichtetes Kreuzfahrtschiff. Wann immer sie sich außerhalb der irdischen Schwerkraftsenke befunden hatte, war Clarissa meist mit Jachten und Luxusschiffen gefahren. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie viele Beschwerden der Kapitän sich anhören musste, weil die Gänge nicht breit genug waren und die Bildschirme an den Wänden eine zu niedrige Auflösung hatten. In ihrem früheren Leben hätte auch sie sich über so etwas Gedanken gemacht. Jetzt bedeutete ihr dies weniger als nichts.
    Es hätte sie nicht stören sollen. Ein Toter mehr oder weniger hätte keine Rolle spielen sollen. Doch es war Ren.
    »Auf Position«, meldete Stanni.
    »Noch einen Moment«, antwortete Melba und verließ den Aufzug. Der Gang, in dem sie nun stand, war ein fast perfektes Ebenbild des letzten. Auf diesen Decks befanden sich Kabinen und Lagerräume. Erst die weit unten liegenden Ebenen unterschieden sich grundlegend von den anderen – Maschinenraum, Werkstätten, Hangars. Auf der Suche nach der Störung in der Stromversorgung hatten sie hier begonnen, weil es besonders leicht war. Je länger es dauerte, desto schwieriger wurde es. So war es immer.
    Sie fand die Kreuzung, holte das Diagnosewerkzeug aus dem Etui und stöpselte es ein.
    »Solé?«
    »Bin da«, antwortete Soledad.
    »Alles klar«, sagte Melba. »Starten Sie die Rückverfolgung.«
    Danach hatte sie Ren in ihre Kabine geschleppt und auf den Boden gelegt. Den kommenden Zusammenbruch hatte sie bereits gespürt, sich auf die Koje gelegt und es über sich ergehen lassen. Vielleicht bildete sie es sich nur ein, aber sie hatte den Eindruck, dass es mit jedem Mal schlimmer wurde. Einen grässlichen Moment lang hatte sie befürchtet, sich mit ihrem Erbrochenen selbst beschmutzt zu haben, doch ihre Uniform war sauber. Zunächst hatte sie Ren auf dem Boden liegen lassen und sich einen Beutel Kaffee besorgt. Rens Handterminal hatte sie in einer Kabine der Mannschaftstoilette abgelegt und dann den Sicherheitsoffizier aufgesucht. Er war ein dünner Marsianer namens Andre Commenhi. Ihre informelle Meldung hatte er sich nur mit halbem Ohr angehört: Ren habe sie angerufen und um ein Gespräch gebeten. Sie habe ihn jedoch nicht an seinem gewohnten Arbeitsplatz angetroffen. Dann habe sie sich auf dem Schiff umgesehen, ihn jedoch nicht gefunden. Auf ihre Anrufe reagierte er nicht, und so langsam machte sie sich Sorgen.
    Während die Sicherheitskräfte das Schiff durchsucht hatten, hatte sie sich die Packungen mit dem Dichtungsschaum besorgt, war in ihre Kabine zurückgekehrt und hatte Ren verstaut. Die Haare hatten im Tod heller gewirkt, das Orange hatte eine Art Korallenriff gebildet. Die blutleere Haut war hell wie das Sonnenlicht oder purpurn wie eine Prellung, wo sich das Blut gestaut hatte. Die Totenstarre hatte noch nicht eingesetzt, deshalb war es ihr leichtgefallen, ihn wie einen Fötus zusammenzufalten und ringsherum die Freiräume mit Schaum aufzufüllen. Es hatte einige Minuten gedauert, bis die Masse ausgehärtet war. Der Schaum schloss luftdicht und hielt großen Druck aus. Wenn sie es richtig gemacht hatte, würde der Leichengestank niemals herausdringen.
    »Nadie«, meldete Soledad resigniert. »Habt ihr was gefunden?«
    »He«, antwortete Stanni. »Ich glaube schon. In diesem Kasten hier habe ich Schwankungen von zehn Prozent.«
    »Gut«, schaltete sich Melba ein. »Machen wir einen Neustart und sehen wir, ob das Problem damit gelöst ist.«
    »Bin dabei«, bestätigte Stanni. »Holen wir uns was zu essen, während die Prozedur läuft?«
    »Wir treffen uns in der Messe«, schlug Melba vor. Ihre Stimme klang beinahe normal. Nach jemand anders.
    Die Messe war fast leer. Nach der Schiffszeit war es jetzt mitten in der Nacht, nur wenige Offiziere lümmelten an den Tischen und beobachteten die Zivilisten, die vorbeikamen. Der Arbeitsvertrag erlaubte es Melba und ihren Kollegen,

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