Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Johnson verschwand und unwiderruflich in Vergessenheit geriet. Den ehemaligen Vorgesetzten anzulügen, der ihn unter feindlichem Feuer vor dem Verbluten gerettet hatte, war ihm so leichtgefallen wie das Atmen. Es hatte nichts mit der Erde, dem Gürtel oder der Anderson-Station zu tun gehabt, nichts mit ehrenhafter Loyalität. Er war einfach nur noch nicht damit fertig gewesen, sich selbst zu zerstören. Als er jetzt am Empfangstisch der Wache saß und Sam hinterging, dachte er, dass Fred es gewusst oder mindestens geahnt hatte.
Fred hatte ihm einen Kreditchip in die Hand gedrückt. Es war eines der billigen, leicht durchscheinenden Dinger gewesen, mit deren Hilfe die AAP damals ihre Geldflüsse verschleiert hatte. Besorgen Sie sich eine neue Uniform. Bull hatte salutiert und bereits an den Schnaps gedacht, den er sich kaufen konnte.
Das Guthaben auf dem Chip entsprach sechs Monatsgehältern in seiner alten Position. Wäre es weniger gewesen, dann wäre Bull nicht darauf eingegangen. Er spielte jedoch mit, rasierte sich zum ersten Mal seit Tagen, kaufte sich einen neuen Anzug, packte einen Koffer und warf alles weg, was nicht hineinpasste. Seitdem hatte er keinen Alkohol mehr angerührt. Nicht einmal in den Nächten, in denen er mehr wollte als Sauerstoff.
Das Sicherheitssystem meldete, dass Sam nun ausgesperrt war. Bull machte sich eine Notiz und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, um die Meldung von der Cerisier zu lesen und die Gedanken schweifen zu lassen. Als Gathoni kam, um die nächste Schicht zu übernehmen, lief er zwei Flure weiter zu einer kleinen Bodega, kaufte ein Viererpack Bier und suchte Sams Quartier auf. Der Wächter begrüßte ihn mit einem Nicken. Den Bestimmungen nach hätte Bull nicht klopfen müssen. Als Leiter der Sicherheitsabteilung durfte er Sams Kabine jederzeit betreten, ob er willkommen war oder nicht. Trotzdem klopfte er an.
Sam trug einen schlichten Sweater und schwarze Arbeitshosen mit Magnetstreifen an den Seiten. Bull hielt das Bier hoch. Sam funkelte ihn an und hielt den Blick einige Sekunden, dann machte sie Platz. Er folgte ihr in den Raum.
Ihre Kabine war sauber, hübsch eingerichtet und unaufgeräumt. Die Luft roch nach Schmiermittel und alter Wäsche. Sie lehnte sich an die Armlehne eines Schaumstoffsofas.
»Friedensangebot?«, sagte sie verbittert.
»So ungefähr«, antwortete Bull. »Pa ist sauer auf mich und lässt es an Ihnen aus. Sie dachte, entweder mache ich nichts und verliere meine wichtigste Verbündete, oder ich greife ein und bekomme selbst Hausarrest. Sie kann nicht verlieren.«
»Was für ein Blödsinn.«
»Und ob«, bekräftigte Bull. »Die ganze Sache tut mir verdammt leid.«
Sam kochte vor Wut. Bull nahm es hin, er hatte es verdient. Sie ging auf ihn zu, riss ihm den Viererpack aus der Hand, verdrehte die Plastikhülle, um sie aufzubrechen, und pflückte sich einen Trinkbeutel heraus.
»Wollen Sie auch einen?«, fragte sie.
»Ich trinke nur Wasser.«
»Was mich besonders ärgert«, erklärte Sam, »ist Ashfords blödes Grinsen, und wie er den Eindruck erweckt, er freute sich über diese Sache. Er weiß doch, was auf dem Spiel steht, und sitzt ebenso mit im Boot wie Pa. Oder Sie. Glauben Sie nicht, Sie könnten sich mit ein paar billigen Drinks freikaufen. Es ist ebenso Ihre wie deren Schuld.«
»Das ist richtig.«
»Ich bin Technikerin geworden, weil ich diese Machtspiele der höheren Chargen nicht ertragen habe. Jetzt sehen Sie mich an.«
»Ja«, stimmte Bull zu.
Sam ließ sich seufzend aufs Sofa fallen und stieß etwas Farbenprächtiges und Obszönes hervor. Bull setzte sich ihr gegenüber hin.
»Na gut, hören Sie auf damit«, sagte sie.
»Was meinen Sie?«
»Der reumütige Büßer steht Ihnen nicht. Ich komme mir ja vor, als müsste ich gleich niederknien oder so. Das ist mir unheimlich.« Sie nahm einen großen Zug aus dem Beutel, das weiche Plastik schrumpfte entsprechend stark und dehnte sich wieder etwas, als die Kohlensäure aus dem Bier entwich. »Sie und Pa tun, was Sie glauben tun zu müssen, und ich bin jetzt im Arsch. Ich hab’s kapiert. Das heißt aber nicht, dass ich darüber glücklich sein muss. Der Punkt ist nur, dass Sie recht haben. Pa will Ihnen Ihre Verbündeten nehmen, und ganz egal, wie gern ich Ihnen sagen würde, dass Sie Ihren Schwanz in einen Schraubstock spannen sollen, werde ich mich zurückhalten, weil ich Pa diesen Sieg nicht gönnen will.«
»Dafür bin ich Ihnen dankbar, Sam.«
»Hauen Sie ab und stecken
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