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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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vor der Zielerfassung des Torpedos verstummte, denn das Geschoss hatte sie aus den Augen verloren.
    »Ich habe das große marsianische Schiff zwischen uns und die Rakete gebracht«, verkündete Alex. Er flüsterte beinahe, als könnte ihn die Rakete hören, wenn er zu laut sprach.
    »Wie nahe sind wir dem Schiff?«, fragte Holden ebenso leise.
    »Etwa zehn Meter«, erklärte Alex stolz. »Mehr oder weniger.«
    »Die werden bestimmt ziemlich sauer, wenn die Rakete weiter auf sie zufliegt«, sagte Amos. Dann, beinahe nachdenklich: »Ich weiß nicht einmal, was eine Nahkampfkanone auf so eine Entfernung anrichten kann.«
    Wie um ihm zu antworten, richtete der Kreuzer den Zielerfassungslaser auf sie. Die anderen marsianischen Einheiten folgten seinem Beispiel, und die Kakofonie wurde durch ein paar Dutzend weitere Klänge verstärkt.
    »Verdammt«, sagte Alex. Die Schwerkraft setzte wieder ein, als hätte jemand einen Felsbrocken auf Holdens Brust gewälzt. Die marsianischen Schiffe schossen nicht, doch auf dem Bildschirm tauchte auf einmal der Torpedo wieder auf. Die Marsianer steuerten ihn jetzt, da die Behemoth anscheinend handlungsunfähig war. Holden staunte, dass er lange genug gelebt hatte, um eine echte Zusammenarbeit zwischen Mars und AAP beobachten zu können. Es war nicht ganz so erbaulich, wie er es gehofft hatte.
    Auf beiden Seiten sausten marsianische Schiffe vorbei, als die Rosinante durch den Flottenverband raste und dabei beschleunigte. Holden stellte sich vor, wie sich die Zielvorrichtungen und die Nahkampfkanonen drehten, als sie vorbeiflogen. Hinter der Flotte war nichts mehr außer dem Ring und der unendlichen, mit Sternen besetzten Schwärze.
    Begleitet von dem üblen, unschönen Gefühl, sich an etwas Schreckliches zu erinnern, das er seit jeher zu vergessen versucht hatte, schälte sich ein Plan heraus. Die Rakete verfolgte sie, und selbst wenn sie diesem Geschoss ausweichen konnten, würden andere folgen. Er konnte nicht ewig fliehen. Kapitulieren konnte er auch nicht. Soweit er es sagen konnte, waren seine Waffen bereit und würden binnen Sekunden zu feuern beginnen. Einen Moment lang stand auf dem Operationsdeck die Zeit still, wie es manchmal geschieht, wenn sich eine Katastrophe anbahnt. Er fühlte sich Naomi sehr nahe und spürte, wie sie auf ihre Liege gepresst wurde. Monica und Okju hatten vor Furcht und unter dem Druck des Schubs die Augen weit aufgerissen. Clip hatte die Hand linkisch neben sich auf das Gelpolster gepresst. Cohens Kinn war erschlafft, die Gesichtshaut bleich.
    »Äh«, gurgelte Holden. Auch ihm drückte der Schub die Kehle zu. Er gab Alex ein Zeichen, den Schub zu stoppen. Sofort verschwand die Schwerkraft.
    »Der Ring«, befahl Holden. »Halte auf den Ring zu.«
    Schlagartig setzte die Schwerkraft wieder ein. Holden drehte die Liege zum Pult und rief die Navigationskonsole auf. Aus dem Augenwinkel beobachtete er den orangefarbenen Punkt, der sich rasch näherte, und stellte für Alex die Daten eines Kurses zusammen, der sie mit hoher Geschwindigkeit zum Ring bringen würde. Kurz vor dem Eintritt würden sie allerdings wenden und einen fast selbstmörderisch starken Bremsschub einsetzen. So konnten sie unterhalb der kritischen Höchstgeschwindigkeit hindurchgleiten und würden nicht wie die Y Que und alle schnell fliegenden Sonden danach aufgehalten. Wenn sie Glück hatten, würde das, was sich auf der anderen Seite befand, den Torpedo auffangen, die langsamer fliegende Rosinante aber nicht. Das Schiff warnte ihn, dass bei dem geplanten hohen Bremsschub selbst bei einer kurzen Dauer mit einer Wahrscheinlichkeit von drei Prozent irgendjemand an Bord sterben würde.
    Die Rakete würde sie allerdings alle töten.
    Holden schickte Alex die Navigationsdaten und rechnete schon mit einer Weigerung. Er hoffte sogar darauf. Doch die Rosinante beschleunigte endlose siebenundzwanzig Minuten lang, dann folgte bei null G ein Übelkeit erregendes Drehmanöver, das weniger als fünf Sekunden dauerte, und schließlich der Bremsschub, der viereinhalb Minuten dauerte und bei dem alle Menschen an Bord bewusstlos wurden.
    »Wachen Sie auf«, sagte Miller im Dunkeln.
    Das Schiff befand sich im freien Fall. Holden hustete heftig, als seine Lungen nach dem lebensgefährlichen Bremsschub wieder die normale Form einzunehmen versuchten. Miller schwebte neben ihm. Die anderen waren anscheinend noch nicht wach, Naomi rührte sich überhaupt nicht. Holden beobachtete sie, bis er sah, dass sich der

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