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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Brustkorb leicht hob und senkte. Sie hatte überlebt.
    »Türen und Ecken«, sagte Miller leise und heiser. »Ich sage dir, du sollst die Türen und Ecken im Auge behalten, und du rennst mitten in den Raum und lässt den Schwanz raushängen. Du hast gewaltiges Glück gehabt, du Schweinehund. Ich muss schon sagen, dein Glück lässt dich nicht im Stich.«
    Irgendwie schien er klarer zu sein als gewöhnlich. Beherrschter. Als hätte er Holdens Gedanken erraten, drehte sich der Detektiv zu ihm herum und lächelte.
    »Sind Sie da?«, fragte Holden. Vom Schub und dem Sauerstoffmangel war er immer noch benommen. »Sind Sie real?«
    »Du denkst nicht richtig nach. Nimm dir Zeit, hole auf. Es eilt nicht.«
    Holden rief die Außenkameras auf, atmete gedehnt aus und schluchzte beinahe dabei. Die Rakete der AAP schwebte neben dem Schiff, nur etwas mehr als hundert Meter von der Spitze der Rosinante entfernt. Der Antrieb des Torpedos arbeitete noch, hinter dem Geschoss stand eine grellweiße Abgasflamme, die fast einen Kilometer maß. Doch die Rakete selbst hing reglos im Weltraum.
    Holden wusste nicht, ob der Torpedo tatsächlich schon so nahe gewesen war, als sie durch den Ring geflogen waren. Vermutlich nicht. Wahrscheinlich hatte die Rakete nur zufällig in der Nähe angehalten. Trotzdem, der Anblick der mächtigen Waffe, deren Antrieb immer noch arbeitete, weil sie ihn immer noch töten wollte, jagte ihm einen Schauer über den Rücken, und seine Hoden machten Anstalten, sich in den Bauch zu verkriechen. Zehn Meter weiter, und sie wäre nahe genug gewesen und detoniert.
    Nun aber entfernte sich der Torpedo langsam und wurde von den Kräften, die auf dieser Seite des Rings die Geschwindigkeitsbegrenzung festgesetzt hatten, wer weiß wohin gezogen.
    »Wir haben es geschafft«, sagte er. »Wir sind durch.«
    »Ja«, stimmte Miller zu.
    »Das ist es, was Sie wollten, nicht wahr? Deshalb haben Sie es getan.«
    »Das ist zu viel der Ehre.«
    Amos und Naomi stöhnten und erwachten langsam. Die Filmcrew hing reglos auf den Liegen. Vielleicht waren sie sogar tot. Holden konnte es nicht herausfinden, ohne die Gurte zu lösen, aber sein Körper hatte sich noch nicht weit genug erholt. Miller beugte sich zum Bildschirm vor und kniff die Augen zusammen, als suchte er etwas. Holden rief die Sensorendaten auf. Eine Flut von Informationen brach über ihn herein. Im Umkreis von einer Million Kilometern drängten sich zahlreiche Objekte, die so dicht beisammenstanden wie die Erbsen in einer Schote. Dahinter war nichts, nicht einmal Sternenlicht.
    »Was sind sie?«, fragte Holden. »Was ist da draußen?«
    Miller blickte auf das Display. Seine Miene blieb ausdruckslos.
    »Nichts«, antwortete der tote Mann. »Das macht mir eine Heidenangst.«

17    Bull
    »Zum Teufel, was sind wir?«, klagte Serge, der in der Wache neben dem Schreibtisch schwebte. »Sicherheitskräfte oder verdammte Babysitter?«
    »Wir tun, was nötig, ist, um unsere Aufgabe zu erledigen.« Bulls Antwort klang nicht sehr überzeugend.
    Vor dreißig Stunden war es auf der Behemoth dunkel geworden, davon hatte er sechs schlafend verbracht. Serge, Casimir, Jojo und Corin hatten sich in der Wache abgewechselt und die Rettungseinsätze koordiniert. Die anderen Sicherheitskräfte waren zu wechselnden Teams zusammengestellt worden und hatten zwei kleine panische Ausbrüche unterdrückt und ein Dutzend Leute aus Lagerräumen befreit, wo die Luftaufbereitung nicht neu gestartet war. Zwei Mech-Fahrer hatten das Chaos genutzt, um persönliche Differenzen auszutragen, und waren verhaftet worden.
    Inzwischen brannte im ganzen Schiff wieder Licht. Die Schadenskontrolle war aus dem Koma erwacht und arbeitete die Rückstände auf. Die Mannschaften waren erschöpft, verängstigt und aufgebracht, und der verdammte James Holden war durch den Ring entkommen und trieb sich auf der anderen Seite herum, was auch immer dort war. Die Wache roch nach altem Schweiß und dem Bohnenmasala, das Casimir am Vortag mitgebracht hatte. Am ersten Tag hatten sie sich noch halbwegs bemüht, eine gewisse äußere Ordnung einzuhalten – die Füße in Richtung Boden, den Kopf zur Decke. Inzwischen schwebten sie alle so herum, wie sie gerade eingetroffen waren. Für die Gürtler war es beinahe natürlich, Bull wurde es manchmal schwindlig.
    »Amen, alles Bingo«, meinte Serge lachend. »Wir sind das Schmiermittel der Maschine.«
    »So wenig Spaß hatte ich noch nie mit einem Schmiermittel«, wandte Corin ein.

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