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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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Minuten“, wandte er sich wieder ernst dem Beamten zu. „Sie werden verstehen, dass Evakuierung nicht mehr infrage kommt.“
    „Warum haben Sie das nicht gleich gesagt.“ Der Beamte schnappte sich seine Schlüssel und marschierte wichtig voran. Immer wieder schaute er auf die Uhr. Als er in den Gang zu Nummer 69 einbiegen wollte, korrigierte ihn Nikto und führte ihn in den nächsten.
    „Wir befürchten einen Mechanismus, der beim Öffnen zündet.“
    „Uiii“, sagte der Beamte, verzog das Gesicht und öffnete kurz darauf das Schließfach, das hinter der 69 lag. Darin stand ein alter Lederkoffer.
    „Bringen Sie sich in Sicherheit!“, warnte Simon mit tiefer Stimme und der Beamte trollte sich eilig. Nikto hatte da schon den Koffer herausgenommen und machte sich an der Rückwand des Faches zu schaffen. Es ließ sich leicht aufklappen. Dann klappte Nikto noch die Rückwand von Fach 69 weg und vor ihm stand der Metallkoffer. Er reichte ihn Simon.
    „Schwer“, sagte der und wollte los. Nikto aber hatte noch zu tun. Er kramte ein Stück Papier aus der Tasche, schrieb etwas darauf und ließ es in der 69 zurück. Dann schloss er die Rückwände, stellte den Lederkoffer wieder in das geöffnete Fach und verschloss es, indem er sein Kaugummi zwischen Tür und Fach klebte.
    „Was hast du da noch gemacht?“, wollte Simon wissen.
    „Hab meine Adresse hinterlassen“, sagte Nikto und lachte. Simon schaute ihn für einen Moment irritiert an. Nikto schüttelte den Kopf. Aber so ganz sicher war sich Simon nicht, ob Nikto nicht die Wahrheit gesagt hatte.
    Gemeinsam stiegen sie über die Rolltreppen hinab zur U-Bahn und verschwanden mit dem geheimnisvollen Koffer in einen der dunklen Tunnel.
    | 2221 |
    Kokosnuss? Tatsächlich, es roch nach Kokosnuss.
    Die Sonne strahlte, die Adria schaufelte träge ein paar Wellen an den Strand. Und der Sand war so heiß, dass man barfuß nicht darüberlaufen konnte, ohne sich die Füße zu verbrennen. Deshalb kam seine Mutter und nahm ihn auf den Arm. Das war Glück gewesen. Sicher im Arm der Mutter und dazu der Geruch von ihrem Kokosnuss-Sonnenöl.
    Linus erinnerte sich an den ersten und einzigen Urlaub mit seinen Eltern in Bibione. So viele Jahre her. Er schwitzte. Er konnte sich nicht bewegen und er konnte nichts sehen. Man hatte ihm die Augen verbunden. Er horchte. Nicht weit entfernt blubberte etwas, köchelte. Jemand rührte in einem Topf. Deshalb der Geruch von Kokos. Mit einem Ruck riss Clint ihm die Augenbinde weg.
    „Hunger?“
    „Bestimmt nicht auf Kokosfraß“, maulte Linus und wollte cool klingen.
    „Ist gesund.“ Clint klang überzeugt davon. Er ging zurück zu der Küchenzeile. „Die Königsfrucht. Der Sonne am nächsten.“ Clint hielt ihm ein Stück weißes Fruchtfleisch hin. „Gab mal Menschen, die haben sie verehrt.“
    Linus schaute weg und sah sich in dem Zimmer um. Es war ein kleines Appartement. Irgendwo in einem Hochhaus. Von seinem Platz auf dem Stuhl aus konnte Linus nur Himmel sehen. Grau und schwer wölbte er sich über die Stadt. Es begann zu schneien. Nicht fern stieg ein Flieger in die Wolken und verschwand. Auf dem Fensterbrett stand ein Aquarium mit exotischen Fischen. Mehr gab es hier nicht an Farbe. Clint schnitt Kräuter auf einem Brettchen und schüttete sie in den Topf. Dann nahm er ihn vom Herd und näherte sich Linus. Er setzte sich auf das Fensterbrett und begann zu essen. Linus begriff, dass Clint nie mit Besuch rechnete. Es gab nur den einen Stuhl und auf dem war er gefesselt. Clint aß ruhig und ohne Hast. Ihm war klar, Linus hatte Hunger, aber das wollte dieser Junge auf keinen Fall zugeben. Clint fragte nicht noch einmal nach. Er hielt viel davon, das ernst zu nehmen, was die Menschen sagten. Er wollte sie beim Wort nehmen. Keine Interpretationen. Kein Nein, wenn ein Ja gemeint war. Vielleicht hatte er deshalb nie geheiratet.
    „Was wollen Sie von mir?“, fragte Linus schließlich. Clint hätte darauf gewettet, dass Linus noch ein wenig länger aushielt, bevor er die Stille unterbrach. Clint war es eben nicht gewohnt, mit Kindern umzugehen. Seine Zielpersonen waren bisher immer Erwachsene gewesen.
    „Hältst du die Wahrheit aus?“, fragte Clint.
    Linus versuchte, fest in die Augen des Mannes zu schauen. Es gelang ihm nicht. Die Gleichgültigkeit, mit der Clint ihn betrachtete, machte Linus Angst.
    „Ich will dich nicht zum Feigling machen“, sagte Clint. „Als Feigling will keiner abtreten. Egal, wer alles zuschaut; ob Hunderte

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