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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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oder keiner.“ Damit wendete er sich ab und brachte den Topf zur Spüle. Er wusste, dass Linus hinter seinem Rücken mit enormer Angst zu kämpfen hatte. Clint hatte genug Respekt vor seinen Gegnern, um ihnen in ihrer Angst nicht zuzuschauen. Ruhig spülte er sein Geschirr ab.
    Linus versuchte einzuordnen, was Clint gesagt hatte. „Abtreten“? Er konnte doch nicht gemeint haben – Linus schüttelte den Kopf. Er war ein Kind. Nicht erwachsen. Man bringt Kinder nicht um. Keiner macht das. Linus zerrte an seinen Fesseln, riss. Keine Chance. Mit nur zwei Kabelbindern hatte Clint ihn arretiert. Linus wollte sich konzentrieren, aber die Gedanken jagten durch sein Hirn, Bilder verschwommen. Clints Zusammenbruch in der Souterrainwohnung von Eddas Großmutter. Die Aufnahmen der Überwachungskamera in Olsens Kölner Gartenhaus. Clint, der Olsen folterte. Der Schwanz, den ihm der Mann versuchte in den Mund zu stecken. Simons Waffe. Simons Waffe.
    „Du weißt, warum du hier bist“, drohte Clint, der den kurzen Abwasch erledigt hatte. „Wo sind deine beiden Freunde? Und wo ist der Computer von Olsen? Wo sind die Aufnahmen seiner Überwachungskameras?“
    Linus zuckte mit den Schultern. Clint betrachtete den Jungen, kam dann nah zu ihm hin.
    „Du solltest wissen, dass eine Menge Methoden gibt, Menschen zum Reden zu bringen. Auch gegen ihren Willen. Alle unschön und schmerzhaft, glaub mir. Ich habe sie alle ausprobiert. Am Schluss redet jeder. Warum also die Schmerzen ertragen? Du würdest nur die Achtung vor dir selber verlieren.“
    „Und am Boden liegen und heulen wie ein kleines Mädchen?“ Linus fixierte Clint. Er registrierte den Moment, in dem Clint ansetzte, zuzuschlagen. Doch er beherrschte sich. Linus legte nach. „Nein, nicht wie ein Mädchen. Wie ein elender Feigling! Um Verzeihung winselnd. Wegen ’nem Hasen.“ Er grinste. „Wegen ’nem verblödeten, verfickten Hasen!“
    „Halt die Schnauze!“ Clint schlug zu. Linus stürzte mit dem Stuhl um. Sein Kopf schlug auf das Laminat. Er blutete aus der Nase.
    „Mehr hast du nicht drauf?“, provozierte Linus weiter.
    Clint stand über ihm. Er hatte sich wieder im Griff. Es gefiel ihm nicht, dass dieser kleine Scheißkerl es geschafft hatte, ihn aus der Reserve zu locken. Was war nur mit ihm los? Clint wusste nur zu genau, dass Emotionen zu Fehlern verleiteten. Seit er in jener seltsamen Nacht vor diesen drei Kindern zusammengebrochen war, musste er auf der Hut sein. Vor seinen Erinnerungen. Er musste die Gedanken an seine Kindheit verschließen. Die Gedanken an seinen Vater, an den Moment, in dem er ihn zwang, das erste Mal zu töten ... Nein! Er durfte sich nicht mehr daran erinnern. Das sagte seine Vernunft. Und doch war es, als hätten diese Bilder von dem Messer in seiner Hand, von den braunen, vertrauensvollen Augen seines Hasen ... als hätten diese Bilder Widerhaken, die sich in seinem Hirn verankerten. Er musste sie loswerden. Säßen diese Haken in seinem Fleisch, hätte er sie einfach herausschneiden können. Das hatte er schon ein paarmal mit einer Gewehrkugel getan. Gegen sein Hirn musste er anders vorgehen. Härter. Härter auch als gegen seine Gegner.
    Clint richtete den Stuhl samt Linus wieder auf, nahm ein Tuch und wischte das Blut weg, das dem Jungen aus der Nase lief. Dann holte er aus dem Eisschrank eine Ampulle und eine Einwegspritze. Linus sah zu, wie Clint die wässrige Lösung in den Kolben der Spritze sog. Ein-, zweimal schnippte er mit dem Finger gegen die Spritze, um die Luftblasen aufzulösen. Dann ein leichter Druck mit dem Kolben und ein Tropfen der Flüssigkeit schlüpfte durch die Kanüle. Clint wandte sich Linus zu.
    „Wo sind deine Freunde? Wo ist Olsens Computer mit den Aufnahmen seiner Kameras?“
    Linus schüttelte tapfer den Kopf.
    „Wenn ich sowieso ‚abtreten‘ muss ...“
    „Ein Held, aha!“ Clint nickte. „Du wirst es mir trotzdem sagen.“ Er ging auf das Aquarium zu. „Schau gut hin!“ Clint nahm einen kleinen Käscher und fischte geschickt einen der bunten Nemos heraus. Er nahm die Spritze zwischen die Lippen und packte das glitschige Wesen im feinen Netz mit der Hand. Dann setzte er dem kleinen Fisch die Spritze in die Kiemen. Er drückte den Kolben nur leicht und ganz kurz. Nemo konnte sich nicht wehren, sosehr er auch zappelte. Clint warf ihn zurück ins Wasser. Sofort vollführte Nemo absurde Schwimmmanöver, drehte sich um die eigene Achse, schwamm gegen den künstlichen Felsen im Aquarium, tauchte

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