Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
verschwunden war und beschlossen, auf sie zu warten. Natürlich hatten sie Hunger und suchten das Restaurant nach Essbarem ab. Außer Glückskeksen war nichts aufzutreiben.
„Wo die wohl hin sind?“, sagte Simon.
„Mafia“, sagte Linus. „Vielleicht gibt’s Drogen oder Geld hier.“ Er suchte weiter. Hinter einem Paravent in einem Lagerraum fand er eine Tür. Sie führte in einen Kühlraum, der Strom aus einem Aggregat auf dem Hof erhielt und voller chinesischer Lebensmittel war. Linus zog eine Tüte mit Hühnerfüßen hervor und warf sie gleich wieder zurück.
Nachdem Edda nach einer halben Stunde immer noch nicht zurückgekommen war, beschlossen Linus und Simon, nach ihr Ausschau zu halten. Linus kritzelte eine Notiz auf einen Zettel und klemmte ihn ins Fenster, nachdem sie beide hinausgeklettert waren. Dann liefen sie einmal um den Block, bis sie auf ein Starbucks stießen. Sie ließen sich in die bequemen Sessel fallen und berieten, nachdem der Kaffee ihre Gehirne aktiviert hatte, was sie als Nächstes tun sollten.
Linus stellte seinen Rechner auf den Tisch und öffnete die Karte vom Untergrund Berlins.
„Oh nee, nicht schon wieder Kloake“, maulte Simon, stand auf, holte sich einen Packen Berliner Zeitungen und Magazine und legte sie auf den Tisch. Immer noch war der Diebstahl eines Heißluftballons in den Schlagzeilen und weiter hinten die Schießerei. Die Polizei rätselte, wo der blutige Mann steckte, der laut Zeugenaussagen aus der Wohnung auf den Boden geprallt war und überlebt hatte.
Während sie die Zeitungen studierten, kamen immer mehr Touristen in den Laden. Darunter eine Gruppe junger Mädchen, die sich direkt neben ihnen auf die Couch schmissen und zu kichern anfingen. Genervt schaute Linus aus dem Fenster. Doofe Hühner waren das Letzte, was ihm jetzt noch gefehlt hatte.
„Seid ihr aus Berlin?“, fragte eines der blond gefärbten Mädchen. Simon nickte und lächelte sie an.
„Vor Kurzem hergezogen.“
„Von wo denn?“
„Mannheim.“
Linus stieß Simon mit dem Ellbogen an.
„Lass uns gehen.“
„Ist das dein Papa?“, fragte die Blonde und deutete auf Linus, der mit den Augen rollte.
„Nee, seine Oma.“
„So sehen deine Klamotten auch aus!“
Simon lächelte das Mädchen an.
„Wir sind Freunde.“
„Willst du meine Nummer – wenn deine Oma nicht mehr aufpasst?“
Die anderen Mädchen lachten.
„Hab mein Handy verloren.“
„151-122374568“, sagte sie.
Simon runzelte die Stirn.
„Hast du was zum Schreiben?“
„151-122374568 ...“, wiederholte Linus, bevor Simon einen Stift von der Theke holen konnte.
„Los, geh’n wir!“
„Uuuh, ist die Oma streng!“ Die Mädchen lachten.
„Weißt du was? Gegen meine Oma seid ihr komplettes Mittelalter“, sagte Linus ganz ruhig. „Wie wär’s, wenn ihr euch mal um das kümmert, was in euren Köpfen ist? Oder hast du den Kopf nur zum Haarwaschen? Sieht übrigens total künstlich aus, das Blond.“
Er verzog keine Miene, nahm zwei Zeitungen, ging auf den Ausgang zu und trat zurück auf die Straße. Simon lächelte ein wenig hilflos und entschuldigend der Blonden zu und folgte Linus.
„Was haben die dir denn getan?“ Er packte Linus an der Schulter und hielt ihn auf. „Manchmal bist du so ein Arsch!“
„Ach ja? Mich kotzt das einfach an, dieses Getue. ‚ Bin ich hübsch? ‘ , ‚ Kann ich zu Heidis Top-Moppeln hoppeln? ‘ , ‚ Krieg ich einen reichen Kerl? ‘ , ‚ Was tu ich nur gegen meine Cellulite? ‘ Scheiße! Das hat doch mit dem Leben nichts zu tun! Die haben Cellulite im Hirn!“
„Was ’ n los?“, fragte Simon, der genau spürte, dass Linus’ Wut nur nach irgendeinem Ventil gesucht und diese Mädchen gefunden hatte. Linus wollte weiter, doch Simon hielt ihn auf. Linus schlug seine Hand weg.
„Was soll der Scheiß?!“
Zack! Da hatte Simon Linus’ Hand im Gesicht. Er schlug zurück. Als hätte er darauf gewartet, drosch er auf Linus ein. Er merkte gar nicht, dass Linus die Schläge aufnahm, ohne sich zu wehren. Als nähme er eine Strafe an. Erst als ein wuchtiger Passant sich zwischen Simon und Linus drängte, ließ Simon von Linus ab. Außer Atem stand Simon dann da. Linus wendete sich ab und raste davon, so schnell er konnte. Simon kümmerte sich nicht um die Ermahnungen des Passanten, er folgte seinem Freund.
Als er am Restaurant ankam, lag es so verlassen dort, wie sie es vorgefunden hatten. Simon stieg durch das Fenster ein. Linus saß am Tisch und kühlte mit Eis aus
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