Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
Fotografien hingen. Der Wintergarten, der Große Furioso, Bernikoffs Auto. Bernikoff und Marie. Sogar das Bild aus dem Fotostudio, das Edda aus Maries Tagebuch kannte, war dabei. Es waren keine Abzüge. Es waren Originale. Es waren Bilder, die sie auch in der Wohnung Bernikoffs gesehen hatte. Am Ende des Raums erkannte sie ein altes Grammophon. Als sie näher kam, sah sie, dass eine Schellackplatte darauflag. » Abaton « stand auf dem Label.
Hinter dem Tisch ging der große Raum in einen kleineren über. Ein Tonband hinter Glas, die getäfelten Wände. Kein Zweifel: In dieser Kabine hatte Edda gedacht, sie würde wahnsinnig werden. In dieser Kabine hatten sie Clint besiegt.
Wer immer hier lebte, er hatte entweder die gleichen Instrumente wie Bernikoff, oder er hatte sie aus Bernikoffs Wohnung entfernt, bevor das Haus dem Erdboden gleichgemacht worden war. Edda tat einen Schritt auf die Kabine zu und blieb an der Schwelle stehen. Selbst die gedämpfte Akustik, die alle Geräusche zu absorbieren schien, war die Gleiche.
In der Kabine sah sie Marie. Auf dem Bildschirm eines Computers. Sie lag auf einer Liege und von ihrem Kopf führten Drähte und Kabel in ein Aufzeichnungsgerät. Marie wirkte mager und blass. Mit einem Schlag traten Edda Tränen in die Augen. Sie hörte nicht, wie sich am anderen Ende des Raums eine Tür öffnete. Wie ein Mann heraustrat, der jede ihrer Regungen aufmerksam verfolgte. Gleichzeitig spürte Edda Unruhe und Angst. Irgendetwas stimmte nicht. Sie spürte, wie ...
„Es wird wirklich höchste Zeit“, sagte plötzlich eine Stimme direkt hinter Edda und für einen Augenblick setzte Eddas Herz aus.
Sie fuhr herum.
Vor ihr stand der Mann aus ihrem Traum und schaute sie mit wachen Augen an. Er hatte graues, volles Haar wie Bernikoff, aber er war höchstens fünfzig. Oder doch siebzig? Er sah Carl Bernikoff wirklich verdammt ähnlich. Und er sprach mit einem Akzent, aber der war nicht indisch, sondern amerikanisch. Es war nicht Bernikoff. Edda spürte, wie die Angst stärker wurde. Sie beschloss, zum Angriff überzugehen.
„Wer sind Sie?“, fragte Edda, als sie sich einigermaßen wieder gefasst hatte. „Und woher haben Sie diese Sachen? Sie gehören meiner Großmutter.“
Der Mann lächelte.
„Mein Name ist Meyrink, Edda. Ich freue mich, dass du den Weg zu uns gefunden hast.“
Er streckte Edda die Hand hin, doch Edda ergriff sie nicht. Sie beeilte sich, aus dem Einzugsgebiet der Kabine wieder in den großen Raum zu gelangen, weil sie Angst hatte, er würde sie einsperren.
„Gehören Sie auch zu GENE-SYS ?“, fragte Edda feindselig.
„Nein“, sagte der Mann. „Nein. Ich gehöre nicht zu ihnen. Aber ich überwache sie. Und ich habe ebenfalls bemerkt, dass im Camp eine Kritische Masse entstanden ist. Nur hatten wir bisher keine andere Möglichkeit, mit euch in Kontakt zu treten.“
„Sie haben uns auch beobachtet?“
Edda wollte den Raum verlassen und ging an Meyrink vorbei auf die Tür zu.
„Warte! Wenn ich dich gebeten hätte, mit mir in dieses Haus zu kommen, hättest du es getan?“
Edda blieb stehen und schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht.“
„Und doch bist du hier. Du selbst wolltest kommen. Und ich freue mich, dass du aus freien Stücken gekommen bist. Anders geht es nicht.“
Noch immer feindselig starrte Edda ihn an. Seine Worte ergaben Sinn. Sie fassten zusammen, was Edda heute Morgen erlebt hatte. „Was machen sie mit meiner Großmutter?“
Meyrink ging auf den Monitor zu und setzte das Bild in Bewegung. Edda sah, wie Marie sich rührte.
„Sie träumt“, sagte Meyrink.
„Woher wissen Sie das?“
„Ich weiß sogar, was sie träumt“, sagte Meyrink. „ GENE-SYS zeichnet es auf.“
Aus dem Augenwinkel sondierte Edda ihre Rückzugsmöglichkeit. Die Tür, durch die sie gekommen war, stand immer noch offen.
„Ich habe Zugang zu ihren Rechnern. Vermutlich dauert es nicht mehr lange, bis sie die Lücke gefunden haben. Dann schließen sie sie.“ Er ließ eine Pause. „Weshalb bist du gekommen, Edda?“
Der Mann schaute Edda in die Augen und Edda holte tief Luft. Ihr Instinkt riet ihr zu fliehen, solange sie noch konnte, doch sie wollte unbedingt erfahren, wie es Marie ging und was man mit ihr machte.
„Ich hab von Ihnen geträumt. Deshalb bin ich hier“, sagte Edda. Sie spürte, wie sie sich gegen ihren Willen von dem Mann angezogen fühlte. Sie musste gehen. Der Mann spürte Eddas Unruhe.
„Was war das für ein Traum? Handelte er von
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