Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
Woher wusste der Geistermann von Edda und Linus? Waren sie in Gefahr? Sollte er verschwinden oder Bobo helfen? Der hatte ihm schließlich auch geholfen. Simon war überfordert. Fieberhaft arbeitete sein Gehirn: „Fliehen oder schießen!“ stotterte sein Reptilhirn in immer kürzer werdenden Abständen. Er durfte sich nicht auf diese beiden Möglichkeiten reduzieren lassen. Er war ein Mensch. Kein Reptil. Ein Mensch, der mit anderen Menschen gerade im Konflikt war. Oder waren das Bestien? Waren es Leute von GENE-SYS , die ihn weiter auf die Probe stellen wollten? Hatten sie wirklich mit seinem Vater Kontakt aufgenommen?
Die drei standen sich immer noch gegenüber, als Simon hörte, wie unten die Haustür aufging.
„Papa?“, rief Simon, ohne zu überlegen.
Dann fiel ihm auf, dass die schlurfenden Schritte von einem leisen Trippeln begleitet wurden. Es musste der Mann mit dem Hund sein.
Simons Hände zitterten. Geister-Bob war das nicht entgangen. Er trat auf ihn zu und lächelte.
„Junge ... mach dich nicht unglücklich. Ich weiß, wie das ist, wenn man auf einen Menschen schießt. Du nicht. Ist wie in Zeitlupe. Wenn du den Finger krümmst. Wenn die Kugel trifft. Wenn sie das Loch in den lebenden Körper reißt. Das frisst sich in dein Hirn. Und da bleibt es für immer ...“
Er war näher gekommen. Langsam griff er nach dem zitternden Lauf der Waffe. Zog ihn ran an sein Herz und setzte ihn auf. Er schaute Simon in die Augen. Der Junge würde nicht abdrücken, das war Geister-Bob in diesem Moment klar. Er lächelte. Nahm die Waffe.
„Is nix Persönliches, Kleiner“, sagte Geister-Bob. Er nickte seinem Komplizen zu. Blitzschnell hatte der Simons Kopf gepackt und seine Hände hielten ihn fest, als wäre er in einen Schraubstock gespannt. Sie schafften Simon in die Wohnung. Er konnte sich nicht mehr bewegen. In dem schummrigen Licht des Flurs erkannte er, dass Geister-Bob ein altmodisches Rasiermesser zückte und Simon spürte plötzlich den scharfen, kalten Stahl in seinem Genick. Sein Herz raste. Sein Atem ging in ein Hecheln über. Dann spürte er die schnelle Bewegung, das Knistern. Mit einem Wisch hatte Geister-Bob eine Schneise in Simons Stoppelhaare geschlagen. Ein Teil der Tätowierung, die Simons Vater auf den Kopf seines Sohnes punktiert hatte, wurde sichtbar. Geister-Bob war zufrieden.
„Zehn Riesen für jeden“, grinste er seinem Komplizen zu. Er wischte die Haare an seinem Ärmel ab und setzte das Messer noch einmal an.
„Arbeite nicht gegen die Kraft, die dich angreift, gib ihr nach und wende sie gegen den Angreifer.“ Simon hatte keine Ahnung wie ihm dieser Befehl plötzlich in den Sinn kam. Es war kein Rat, kein hilfreicher Tipp. Es war ein Befehl. Simon ließ alle Gegenwehr sein. Für einen winzigen Moment veränderte das die Kräfte. Der noch bestehende Druck des Knackis presste Simons Kopf ein kleines Stück von dem Rasiermesser weg. Geister-Bob aber war schon in seiner Bewegung. Simon nutzte das. Er riss seinen Kopf herum. Auch wenn es in seinem Genick knackte, mit dem Ruck hatte er die rechte Hand des Knackis in den Weg des Messers gedreht. Geister-Bob konnte seine Bewegung nicht mehr stoppen. Der Knacki schrie auf. Blut schoss aus der Wunde hervor. Simon nutzte den Moment der Überraschung, griff die Parabellum aus dem Gürtel von Geister-Bob, stieß ihn zur Seite, riss die Wohnungstür auf und rannte. Rannte davon, so schnell er konnte.
An jedem Absatz sprang er über das Geländer. Kurz vor dem Ausgang rutschte Simon aus. Die Pistole schlug an das Metall des Geländers. Er hörte die Schritte hinter sich. Beide Männer folgten ihm. Simon rappelte sich auf, rannte weiter. Vorbei an dem alten Mann, an dem Dackel. Dann schleuderte er die Haustür nach außen auf und verschwand in die Nacht.
Simon hetzte die Straße hinunter, erreichte ein paar parkende Autos und duckte sich zwischen sie. Noch immer raste sein Herz. Er fasste an seinen Kopf. Die Schneise, die Geister-Bob geschnitten hatte, war gut fünf Zentimeter breit. „Zehn Riesen für jeden ...“ Fassungslos begriff Simon, dass jemand die beiden Männer beauftragt hatte, Simon aufzuspüren. Und die Tätowierung; deshalb hatten sie Bobo gefoltert. Sie hatten gehofft, dass er wüsste, wo Simon steckt. Simon fühlte sich schrecklich. Und er machte sich Sorgen um seinen Vater. Waren sie mit ihm so umgegangen wie mit Bobo? Hatte er das mit der Tätowierung verraten? Simon wollte sich das nicht vorstellen. Er war sich sicher,
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